Das Geheimnis der 100-Jährigen
Kennen Sie jemanden, der über 100 ist? Das wäre nicht ungewöhnlich. Ende 2022 gab es in Deutschland 24.848 Personen im Alter von 100 Jahren und älter – ein neuer Höchstwert. Darunter waren viermal so viele Frauen wie Männer. Und: Wer nach 2000 geboren ist, hat eine fünfzigprozentige Chance, mindestens 100 zu werden.
Doch nicht die Zahl ist entscheidend. Das Leben sollte bis ins hohe Alter vor allem lebenswert sein. Wie das geht, ist aktuell auf Netflix zu sehen. Der Journalist Dan Buettner deckt in der Doku „Wie wird man 100 Jahre alt?“ die Geheimnisse der sogenannten Blue Zones auf. Die Blauen Zonen sind Regionen auf unserer Erde, in denen außergewöhnlich viele Bewohner über 100 werden – zehnmal häufiger als in den USA. Was machen hier die Menschen anders?
Die 5 Blauen Zonen
Als Blue Zones gelten die japanische Insel Okinawa, die Region Ogliastra auf der italienischen Insel Sardinien, die Nicoya-Halbinsel in Costa Rica, die griechische Insel Ikaria und die kalifornische Kleinstadt Loma Linda. Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen treten in allen fünf Zonen seltener auf als im Durchschnitt.
Obwohl die Gebiete weit auseinander liegen, scheint sich die Lebensweise der Bewohner zu ähneln. Dan Buettner erklärt: „Bei aller Unterschiedlichkeit lässt sich ein Muster erkennen.“ Er konnte vier kulturelle Gemeinsamkeiten aufdecken, die der Schlüssel zur Langlebigkeit sind. Ein Aspekt seiner Formel macht dabei ganze 50 Prozent aus.
Natürliche Bewegung
Nein, Sport ist nicht das Geheimnis. Stattdessen gehen die Menschen viel zu Fuß, zum Teil in bergigen Regionen, sie haben einen Garten und benutzen kaum technische Hilfsmittel. Oder sie sitzen wie in Japan am Boden, trainieren also beim Aufstehen ihre Beine. Die Summe der alltäglichen Bewegung bringt ihnen mehr als ein Besuch im Fitnessclub.
Die Einstellung zum Leben
Die Menschen in den Blauen Zonen haben tägliche Rituale, die Stress auflösen. Sie machen immer wieder Pausen zum Entspannen. Viele sind in einer Glaubensgemeinschaft. Die Konzepte, die Sinnhaftigkeit stiften, nennen sich unterschiedlich – auf Okinawa Ikigai, in Costa Rica Plan de Vida. Kurz gesagt: Die Bewohner wissen, wofür sie morgens aufstehen.
Gut und klug essen
In den Blue Zones gibt es überwiegend pflanzliche Kost – Vollkorn, Gemüse, Süßkartoffeln, Nüsse und Bohnen. Die Menschen genießen leckeres Essen und in allen Regionen den Wein dazu. Sie hören auf zu essen, wenn sie zu 80 Prozent satt sind. Sie essen moderat, gemeinsam und drücken vor der Mahlzeit ihre Dankbarkeit aus.
Sich vernetzen
Das Wichtigste jedoch sind soziale Kontakte. Sie machen die Hälfte des Geheimnisses eines langen Lebens aus. Familie steht für die Einwohner an erster Stelle. Ältere Menschen wohnen in der Nähe Ihrer Verwandten. Auch Freund- und Partnerschaften zur Unterstützung haben enorme Bedeutung. Diesen Halt in einer Gruppe nennt Dan Buettner „Verbindung“.
Die Blue Zone 2.0
Die Blauen Zonen sind durch Tradition geprägte Regionen. Doch ist das Rezept für ein langes Leben auch in Industriestaaten umsetzbar? Ja, behauptet Dan Buettner mit Blick auf Singapur. Mit 5,8 Millionen Einwohnern gibt es hier die höchste Lebenserwartung weltweit – und die glücklichsten Menschen. Was hat dazu beigetragen?
Singapurs Maßnahmen für Langlebigkeit:
- Eine geschickte Stadtplanung
- Politische Maßnahmen und Anreize für gesunde Ernährung
- Ein optimales öffentliches Verkehrsnetz (nur 11 % haben ein Auto)
- Gut ausgebaute Rad- und Fußwege
- Viele Parks, in denen geförderte Sportprogramme stattfinden
- Förderung von zufälligen Begegnungen im Alltag
- Programme, die Familien ermutigen, nah beieinander zu wohnen
Viele dieser Maßnahmen haben ein Ziel: Einsamkeit zu verhindern. Denn Einsamkeit verkürzt das Leben. Wer 100 werden möchte, sollte die Gemeinschaft suchen, Möglichkeiten zur Begegnung schaffen und auf andere Menschen zugehen. Auch die Politik ist hier in der Verantwortung.
Die Blauen Zonen zeigen: Glaube, Lebenssinn und Familie sind die wichtigsten Zutaten für ein langes Leben.