Pflege­zeit für Angehörige: Das müssen Arbeitnehmer wissen

von Jessica Djadavjee
21.08.2019 (aktualisiert: 04.02.2021)
Das Wichtigste in Kürze:
  • Berufstätige haben nach dem Pflege­zeitgesetz (Pflege­ZG) Anspruch auf eine sechsmonatige Freistellung, um sich der häuslichen Pflege eines nahen Angehörigen zu widmen.
  • Während der Pflege­zeit haben Sie außerdem die Möglichkeit, ein zinsloses staatliches Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) aufzunehmen.
  • Sie haben außerdem rechtlichen Anspruch auf Freistellung, um einen nahen Angehörigen auf seinem letzten Lebensabschnitt zu begleiten.

Wenn ein Familienmitglied zum Pflege­fall wird, betrifft das oft alle nahen Verwandten. Pflege­nde Angehörige, die berufstätig sind, stehen häufig vor großen finanziellen Ungewissheiten: Entsprechend groß ist die psychische Belastung. Die Pflege eines Angehörigen ist nur schwer mit Beruf und Privatleben vereinbar. Mit dem Pflege­zeitgesetz hat der Gesetzgeber Berufstätigen mehr Raum für die Pflege von Angehörigen eingeräumt. Wir erklären, unter welchen Bedingungen Sie Pflege­zeit in Anspruch nehmen können und was es zu beachten gilt.

Pflege­zeit: Bis zu sechs Monate Freistellung für die häusliche Pflege

Viele pflegebedürftige Menschen möchten im Alter oder bei Krankheit in gewohnter Umgebung und in der Nähe der Familie bleiben - und in den meisten Familien bemühen sich die nächsten Angehörigen, diesem Wunsch Rechnung zu tragen. Nach Angaben der Bundesregierung werden rund 73 Prozent der Pflege­bedürftigen in Deutschland in Voll- oder Teilzeit von Familienmitgliedern betreut und gepflegt.

Pflege­nde Angehörige haben nach Pflege­zeitgesetz (Pflege­ZG) Anspruch auf eine sechsmonatige Freistellung, um sich der häuslichen Pflege eines nahen Angehörigen zu widmen. Die Freistellung von der Arbeit kann dabei gänzlich oder nur teilweise erfolgen. Während der Pflege­zeit haben Sie außerdem die Möglichkeit, ein zinsloses staatliches Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) aufzunehmen. Wenn Sie die Pflege eines minderjährigen Familienmitgliedes übernehmen, haben Sie auch bei außerhäuslicher Pflege Anspruch auf vollständige oder teilweise Arbeitsbefreiung. Die Pflege­bedürftigkeit Ihres Angehörigen müssen Sie anhand einer Bescheinigung der Pflege­versicherung oder des Medizinischen Dienstes der Kranken­versicherung (MDK) belegen, dasselbe gilt für privat versicherte Pflege­bedürftige.

Des Weiteren haben Sie das Recht auf Freistellung, um einen nahen Verwandten auf seinem letzten Lebensabschnitt zu begleiten – dafür stehen Ihnen bis zu drei Monate zu. In diesem Fall müssen Sie den Pflege­bedarf beim Arbeitgeber ebenfalls belegen.

Was tun, wenn jemand pflegebedürftig wird?
Unsere Checkliste hilft

Sie möchten wissen, was alles zu tun ist, wenn eine angehörige Person plötzlich pflegebedürftig wird? In unserem Artikel Checkliste Pflege: So organisieren Sie die Pflege für Angehörige erfahren Sie alles zum Thema.

Familien­pflegezeit

Über die Regelung zur Familien­pflegezeit ist es Beschäftigten möglich, sich für bis zu 24 Monate zeitweise von ihrem Arbeitgeber freistellen zu lassen, um einen nahen Angehörigen zu Hause zu pflegen. Dazu muss dieser Angehörige wenigstens Pflege­grad 1 nachweisen können und der pflegende Angehörige muss für die Dauer seiner Teilfreistellung im Schnitt 15 Stunden pro Woche arbeiten. Allerdings kann die Wochenarbeitszeit auch flexibel verteilt werden, sodass tatsächlich eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit geleistet wird. Die parallele Weiterbeschäftigung soll verhindern, dass Angestellte ihren Beruf für die Pflege vollständig aufgeben müssen. Allerdings besteht Anspruch auf Familien­pflegezeit nur in Unternehmen mit wenigstens 25 Beschäftigten (Azubis nicht eingerechnet). Gegenüber kleineren Unternehmen kann kein Rechtsanspruch auf Familien­pflegezeit in Anspruch genommen werden.

Welche Verwandten zählen per Gesetz als nahe Angehörige?

Zum Kreis naher Angehöriger zählen:

  • Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern
  • Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft
  • Schwägerinnen und Schwager
  • Geschwister
  • Kinder, Adoptivkinder und Pflege­kinder (auch des Ehegatten oder Lebenspartners)
  • Schwiegerkinder und Enkel

Diese Familienmitglieder haben Anspruch auf Pflege­zeit nach dem Pflege­zeitgesetz.

Tipp: Pflege­pauschbetrag nutzen

Wer einen schwer Betroffenen Angehörigen pflegt, kann nicht nur von Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch nehmen, sondern seine Leistung auch steuerlich geltend machen: Mit dem Pflege­pauschbetrag i.H.v. 924 Euro pro Jahr und gepflegtem Angehörigen.

Der Pflege­pauschbetrag soll diejenigen entlasten, die einen hilflosen oder schwerstpflegebedürftigen Angehörigen betreuen. Handelt es sich um beim betreuten Pflege­bedürftigen um einen nahen Angehörigen, der einen Behindertenausweis mit Kennzeichen “H” oder Pflege­grad 4 oder Pflege­grad 5 vorweisen kann, kann der Pflege­pauschbetrag i.d.R. ohne großen Aufwand geltend gemacht werden. Erfahren Sie auch mehr in unserem Überblicksartikel zum Pflege­pauschbetrag.

Pflege von Angehörigen: Alle Möglichkeiten auf einen Blick

Pflege­zeit

Arbeitsverhinderung

Familien­pflegezeit

Rechtsgrundlage

§§ 1, 4-8 Pflege­ZG

§§ 1-2; 5-8 Pflege­ZG

Familien­pflegezeitgesetz

Dauer (max.)

sechs Monate; drei Monate für Sterbebegleitung

zehn Tage (ohne Ankündigungsfrist)

24 Monate

Zweck

häusliche Pflege eines Angehörigen

für akute und weiterführende Pflege­maßnahmen

häusliche Pflege eines Angehörigen

Freistellungsart

vollständig/ teilweise

vollständig

teilweise, auf bis zu 15 Stunden Wochenarbeitszeit

Lohnfortzahlung

nein bzw. teilweise, zinsloses Darlehen möglich

nein, Pflege­unterstützungsgeld bei der Pflege­kasse beantragbar

ja, für mehr als 15 Stunden Arbeitszeit pro Woche, zinsloses Darlehen möglich

Kündigungsschutz

ja

ja

ja

Sozial­versicherung

bis 450 € Gesamteinkommen: Familien­versicherung bzw. freiwillige Versicherung (für Unverheiratete) über 450 €: Gesetzliche Pflicht­versicherung

Familien­versicherung mit Ehepartner; freiwillige Versicherung für Unverheiratete

bis 450 € Gesamteinkommen: Familien­versicherung bzw. freiwillige Versicherung (für Unverheiratete) über 450 €: Gesetzliche Pflicht­versicherung

Habe ich grundsätzlich Rechtsanspruch auf Pflege­zeit?

Nicht alle Arbeitnehmer haben einen Rechtsanspruch auf Freistellung zur häuslichen Pflege eines Verwandten. Nach deutscher Rechtslage tritt diese nur in Kraft, wenn ein Arbeitgeber mindestens 16 Mitarbeiter beschäftigt. Beschäftigt ein Arbeitgeber weniger als 16 Mitarbeiter und gewährt Ihnen freiwillig solch eine Arbeitsbefreiung, handelt es sich in diesem Fall nicht um eine Pflege­zeit gemäß dem Pflege­zeitgesetz – zusätzliche Absicherungen, wie beispielsweise Kündigungsschutz, greifen dann nicht.

Hinweis: Wenn auf die sechsmonatige Pflege­zeit Rechtsanspruch besteht, benötigen Sie keine Zustimmung Ihres Arbeitgebers – wenn Sie nur eine teilweise Freistellung nutzen wollen, müssen Sie mit Ihrem Arbeitgeber eine schriftliche Übereinkunft hinsichtlich der Arbeitszeitverteilung treffen.

Kann ich Pflege­zeit und Familien­pflegezeit kombinieren?

Sämtliche Freistellungszeiten gemäß dem Pflege- und Familien­pflegezeitgesetz für die Pflege naher Angehöriger können kombiniert werden – wenn sie nahtlos ineinander übergehen. Die Gesamtdauer beträgt maximal 24 Monate unter Berücksichtigung betrieblicher Gegebenheiten und Ankündigungsfristen.

Quellen

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