Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt ohne Testament?

von Johannes Kuhnert
09.10.2024 (aktualisiert: 16.10.2024)
Das Wichtigste in Kürze:
  • Gesetzliche Erben sind die nächsten Blut­sverwandten in unterschiedlichen Rangfolgen. In der gesetzlichen Erbfolge ohne Testament erben direkte Nachkommen wie Kinder und Ehepartner. Sie können hier ein Schaubild herunterladen, das die gesetzliche Erbfolge erklärt.
  • Die gesetzlichen Erben haben immer einen Anspruch auf das Erbe. Andere Personen haben nur dann einen Anspruch, wenn sie im Testament als Erben eingesetzt werden.
  • Wenn kein Testament vorliegt, erben die gesetzlichen Erben automatisch nach den Vorgaben der gesetzlichen Erbfolge. Dabei werden Blut­sverwandte bevorzugt. Mit Testament erhalten sie den Anteil, mit dem sie im Testament bedacht wurden - solange er über dem Pflichtteil liegt.
  • Der Pflichtteil beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Soll ein gesetzlicher Erbe weniger als den Pflichtteil bekommen (oder sogar enterbt werden), kann er seinen Pflichtteil einfordern.

Der Pflichtteil - warum gesetzliche Erben selten leer ausgehen

Ohne Testament gilt die gesetzliche Erbfolge - wenn kein Testament vorliegt, werden Ehepartner, Kinder und nahe Verwandte entsprechend der gesetzlichen Regelung erben. Aber auch mit einem Testament lässt sich nicht verhindern, dass die gesetzlichen Erben einen Anspruch auf das Erbe haben.

Wird ein gesetzlicher Erbe durch ein Testament ausgeschlossen (also enterbt), kann er seinen Pflichtteil innerhalb von drei Jahren ab Kenntnisnahme des Erbfalls einfordern. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote und richtet sich daher nach dem Verwandtschaftsverhältnis.

Wichtig: Wer den Pflichtteil einfordert, wird dadurch nicht zum Erben, also zum Rechtsnachfolger des Erblassers und zum Mitglied der Erben­gemeinschaft. Der Pflichtteil ist lediglich ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung in Geld. Ansprüche auf Immobilien oder Gegenstände aus dem Nachlass bestehen nicht.

Fallbeispiel: Pflichtteil bei nur einem Erben

Angenommen der Erblasser hat nur einen Sohn und sonst keine weiteren Verwandten. Er vererbt ausschließlich eine Immobilie im Wert von 1 Mio. Euro. Gemäß der gesetzlichen Erbfolge würde der Sohn 100% erben. Sein Pflichtteil beträgt also 50%. Verfasst der Erblasser ein Testament, in dem er ausschließlich einen Bekannten als Erben einsetzt, wird sein Sohn enterbt. Der Sohn kann seinen Pflichtteil in Höhe von 50% des Erbes einfordern. Dann hat er einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von 500.000 Euro - ihm gehört aber nicht automatisch die Hälfte der Immobilie.

Ausnahmen: Zwei Situationen, in denen der Pflichtteil nicht gilt

Der Pflichtteil lässt sich nicht einfach dadurch umgehen, dass man vor dem Tod das gesamte Vermögen an eine andere Person als die gesetzlichen Erben verschenkt. Zur Berechnung des Pflichtteils zählen nämlich auch alle Schenkungen, die der Erblasser in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod getätigt hat. Es gibt aber zwei Situationen, in denen die gesetzlichen Erben keinen Anspruch auf einen Pflichtteil haben.

  1. Der gesetzliche Erbe hat dem Erblasser, seinem Ehepartner oder nahestehenden Person groben Schaden zugefügt, ist für seinen Tod verantwortlich oder wurde strafrechtlich zu einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr verurteilt
  2. Der gesetzliche Erbe hat zu Lebzeiten einen notariell beurkundeten Verzicht auf seinen Pflichtteil erklärt

So funktioniert die gesetzliche Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge ohne Testament ordnet den Erbanspruch nach Verwandtschaftsgrad in verschiedenen Ordnungen. Hier können Sie ein Schaubild der gesetzlichen Erbfolge ohne Testamen herunterladen. Wird ein Angehöriger einer höheren Ordnung als Erbe ermittelt, sind alle Angehörigen nachfolgender Ordnung vom Erbe ausgeschlossen.

Im einfachsten Fall hat der oder die Verstorbene Kinder und Ehegatten hinterlassen. Leibliche und adoptierte Kinder stehen in der Rangfolge der gesetzlichen Erbfolge an oberster Stelle. Sind sie und Ehepartner am Leben und ermittelbar, sind entferntere Verwandte bereits vom Erbe ausgeschlossen (§ 1930 BGB). Hinterlässt der Tote allerdings keine Kinder und gibt es auch keine Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner, kommen Angehörige zweiter Ordnung zum Zuge.
Ausgangspunkt jeder Erbenermittlung ist der oder die Verstorbene: Von ihm ausgehend werden Kinder und Enkelkinder, Ehepartner oder nähere und entferntere Verwandte ermittelt.

Auch verstorbene Familienmitglieder sind an dieser Stelle relevant: Denn auch ihre Abkömmlinge können in der Erbfolge eingesetzt werden (sog. “Eintrittsrecht”), wenn sich sonst keine Erben ermitteln lassen. Um potenzielle Erben zu ermitteln können ein Stammbaum oder eine Ahnentafel herangezogen werden. Wichtig: Angeheiratete Verwandte wie Schwager, Schwägerinnen etc. müssen im Stammbaum zur Erbenermittlung nicht erfasst werden. Allein die Blut­sverwandtschaft ist ausschlaggebend zur Berücksichtigung in der gesetzlichen Erbfolge - und damit auch für die Höhe der zu entrichtenden Erbschaftssteuer.

Diese Ordnungen gelten bei der Erbenermittlung

Das Gesetz teilt die Verwandten des Erblassers in Ordnungen ein. Der Grad der Verwandtschaft bestimmt die Reihenfolge:

  1. Ordnung: Direkte Abkömmlinge (Kinder, Enkel und Urenkel)
  2. Ordnung: Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (also die Geschwister des Erblassers)
  3. Ordnung: Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Onkel und Tanten des Erblassers)
  4. Ordnung: Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge
  5. Ordnung: Entfernte Voreltern (Ururgroßeltern und deren Abkömmlinge)

Höhere Ordnungen schließen niedrigere aus - wenn es also Erben 1. Ordnung gibt, kommen die Erben 2. Ordnung nicht zum Zug. Ist ein Erbe bereits verstorben, rücken dessen Nachfahren nach.

Stammbaum mit Ordnungen
* Ehepartner sind nicht verwandt, erben jedoch neben Verwandten

Erben erster Ordnung

Als Abkömmlinge des Erblassers gelten nach § 1924 BGB Kinder, Enkelkinder und Urenkel, denn sie alle sind in direkter Linie mit dem Erblasser verwandt. Dabei gilt das sog. Repräsentationsprinzip: Zunächst erben Kinder, dann die Enkel, dann die Urenkel. Dabei stehen auch uneheliche, aber leibliche Kinder gleichberechtigt neben ehelichen Kindern. Sie werden also zu gleichen Anteilen am Nachlass beteiligt. Dasselbe gilt für adoptierte und angenommene Kinder. Ist ein Kind des Erblassers als Haupterbe ermittelt, sind dessen Kinder (also die Enkel des Erblassers) von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Denn mit der Einsetzung des Kindes selbst ist der Repräsentation des Familienstamms Genüge getan. Erst wenn die Kinder des Erblassers bereits verstorben sind, treten Enkel als gesetzliche Erben an ihre Stelle. Sind weder Kinder noch Enkel ermittelbar, dann erlischt der Stamm als solcher, und seine Erbquote fällt den Erben der näheren Verwandtschaft, also der zweiten Ordnung zu.

Auch adoptierte Kinder werden übrigens zu den gesetzlichen Erben ihrer Adoptiveltern. Erbansprüche gegenüber den ursprünglichen leiblichen Eltern gehen demgegenüber mit der Adoption verloren. Stiefkinder und nicht adoptierte Kinder in Patchworkfamilien gelten nicht als gesetzliche Erben. Wenn sie dennoch beim Erbe berücksichtigt werden sollen, muss der Erblasser das explizit in einer letztwilligen Verfügung, also einem Testament oder Erbvertrag festhalten. Erfahren Sie dazu auch mehr in unserer Übersicht "Wer sollte wie vorsorgen?" und unserem Artikel "Unverheiratete Paare - So sollten Sie vorsorgen"

Erben zweiter Ordnung

Erben zweiter Ordnung werden als Erben eingesetzt, wenn der Erblasser keine direkten Abkömmlinge hinterlässt (§ 1925 BGB). Meist sind es Geschwister, die als gesetzliche Erben anfallen, wenn keine Kinder oder Ehepartner vorhanden sind. Als Erben zweiter Ordnung gelten:

  • Die Eltern des Erblassers
  • Geschwister des Erblassers als Abkömmlinge seiner Eltern
  • Kinder der Geschwister, also Nichten und Neffen des Erblassers
  • Enkelkinder der Geschwister

Sind Mutter und Vater des Verstorbenen noch am Leben, dann erben beide jeweils die Hälfte des Nachlass­es ihres Kindes. Ist nur noch ein Elternteil am Leben, erben die Geschwister des Erblassers als weitere Abkömmlinge seinen Anteil. Hat der Verstorbene keine Geschwister und lebt nur noch ein Elternteil, dann erbt der hinterbliebene Elternteil allein.

Erben dritter Ordnung

Als Erben dritter Ordnung gelten die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, damit dann also auch Onkel und Tanten des Verstorbenen (§ 1926 BGB). Auch deren Kinder, also die Cousins und Cousinen, kommen dann als Erben in Frage, wenn Großeltern, Onkel und Tanten bereits nicht mehr am Leben sind.

Erben vierter und fünfter Ordnung

Erben vierter Ordnung sind Urgroßeltern und deren Nachkommen, also Onkel und Tanten 2. Grades, sowie Cousins und Cousinen 2. Grades. Auch wenn Erben fünfter Ordnung in der Rechtspraxis in Deutschland rein zahlenmäßig kaum eine Rolle spielen, kommen nach geltendem Recht auch die Ururugroßeltern des Verstorbenen und ihre Abkömmlinge als Erben in Frage.

Was erbt der Ehepartner?

Da zwischen Ehegatten keine Blut­sverwandtschaft besteht, sind sie nicht Teil des Parentelsystems, allerdings gehen beide Partner mit der Heirat den Güterstand der Zugewinn­gemeinschaft ein. Die gesetzliche Erbfolge sieht für Ehegatten eine gesonderte Regelung vor, da sie neben den Blut­sverwandten erben. Sie werden also keiner Ordnung zugerechnet, sondern genießen einen davon unabhängigen Erbanspruch. Ehegatten und eingetragene Lebenspartner gelten als nächste Angehörige des Erblassers. Wenn der Ehepartner stirbt, erbt der verbleibende Partner einen Teil des Nachlass­es, einschließlich des gemeinsam bewohnten Hauses, abhängig von der Erbquote. Im Regelfall steht dem verbleibenden Ehegatten ein Viertel der Erbmasse zu, gegenüber Angehörigen zweiter Ordnung wie Eltern und Geschwistern des Verstorbenen sogar die Hälfte. Welche Erbquote ihnen tatsächlich zusteht hängt letztlich von verschiedenen Faktoren ab:

  1. Welche lebenden Verwandten des Erblassers gibt es?
  2. Zu welcher Ordnung gehören diese Verwandten?
  3. In welchem Vermögensgüterstand lebten die Ehegatten zum Zeitpunkt des Erbfalls?

Weitere Informationen zur Erbschaft des Partners erhalten Sie in unserem Artikel "Erbschaft: Was erbt der Partner?".

Gesetzliches Erbrecht des Fiskus

Sind keine Verwandten eines unverheirateten Erblassers ermittelbar, nimmt der Staat sein gesetzliches Erbrecht wahr, und der Nachlass geht auf das Bundesland über, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte.

Gesetzliche Erbfolge vermeiden? Testament verfassen!

Die gesetzliche Erbfolge bestimmt wer den Verstorbenen letztendlich beerbt, wenn keine letztwillige Verfügung in Form eines Testaments oder Erbvertrags hinterlassen wurde. Liegt ein solches Dokument jedoch vor, kann die gesetzliche Erbfolge in Teilen außer Kraft gesetzt werden:
Der Erblasser kann jede natürliche oder juristische Person als Erben einsetzen, mit einem Erbanteil bedenken oder ihr ein Vermächtnis in Form von Geld oder Sachwerten hinterlassen. Ein notarielles, öffentliches Testament wird anschließend beim zuständigen Nachlass­gericht oder dem Zentralen Testamentsregister der Bundes­notarkammer hinterlegt. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass alle Erben unmittelbar nach Eintritt des Erbfalls darüber informiert werden, dass sie erbberechtigt sind. Auch eine Teilungs­anordnung und Testaments­vollstreckung lassen sich im gleichen Zuge festhalten.
Da persönliche Wünsche nur dann berücksichtigt werden können, wenn ein rechtsgültiges Dokument zur Erbschaftsregelung vorliegt, sollten Interessierte rechtzeitig ein Testament oder einen Erbvertrag aufsetzen. Eine Testament Vorlage zur Anschauung finden Sie in unserem Portfolio - und mit Afilio können Sie ganz einfach schon heute Ihr persönliches, rechtsgültiges Testament erstellen.

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wer erbt, wenn kein Testament vorliegt?

Wenn kein Testament vorliegt, greift die gesetzliche Erbfolge. Zuerst erben die Kinder und der Ehepartner des Verstorbenen. Wenn der Verstorbene verheiratet war und Kinder hatte, erbt der Ehepartner die Hälfte des Nachlass­es (§ 1931 BGB). Die Kinder teilen sich die andere Hälfte zu gleichen Teilen.

Beispiel: Bei einem Nachlass von 300.000 Euro erhält der Ehepartner 150.000 Euro, und die Kinder teilen sich die restlichen 150.000 Euro. Wenn es zwei Kinder gibt, erhält jedes Kind 75.000 Euro.

Wer erbt, wenn der Vater stirbt und die Mutter noch lebt?

Wenn der Vater stirbt und die Mutter noch lebt, erbt die Mutter gemäß der gesetzlichen Erbfolge die Hälfte des Nachlass­es. Die andere Hälfte wird unter den Kindern des Verstorbenen zu gleichen Teilen aufgeteilt.

Beispiel: Wenn der Vater 200.000 Euro hinterlässt und es zwei Kinder gibt, erbt die Mutter 100.000 Euro, und die Kinder teilen sich die anderen 100.000 Euro, sodass jedes Kind 50.000 Euro erhält.

Wie ist die gesetzliche Erbfolge für Geschwister?

Geschwister erben gemäß der gesetzlichen Erbfolge nur dann, wenn keine direkten Abkömmlinge (Kinder, Enkel) vorhanden sind. Sie gehören zur zweiten Erbordnung. Sind Eltern des Verstorbenen noch am Leben, erben die Geschwister zusammen mit den Eltern zu gleichen Teilen.

Beispiel: Wenn der Verstorbene 100.000 Euro hinterlässt und die Eltern noch leben, erben die Eltern die Hälfte (50.000 Euro), und die andere Hälfte wird unter den Geschwistern aufgeteilt. Gibt es drei Geschwister, erhält jedes Geschwisterteil 16.666 Euro.

Was erbt die Ehefrau, wenn keine Kinder vorhanden sind?

Wenn keine Kinder, aber noch Eltern des Verstorbenen leben, erbt die Ehefrau gemäß der gesetzlichen Erbfolge 3/4 des Nachlass­es. Wenn weder Eltern noch Geschwister vorhanden sind, erbt die Ehefrau den gesamten Nachlass.

Beispiel: Bei einem Nachlass von 400.000 Euro erbt die Ehefrau 300.000 Euro, wenn die Eltern des Verstorbenen noch leben. Wenn keine weiteren Erben vorhanden sind, erbt sie den gesamten Betrag von 400.000 Euro.

Quellen

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