Patienten­verfügung: BGH-Urteile schaffen Klarheit

von Afilio
26.08.2020 (aktualisiert: 09.02.2021)
Das Wichtigste in Kürze:
  • Ein Urteil des Bundesgerichtshofes von 2016 machte viele der bis dahin erstellten Patienten­verfügungen ungültig: Die Formulierung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ erklärte der BGH als nicht konkret genug.
  • 2017 und 2018 folgten weitere Urteile, in denen der BGH die Anforderungen an Patienten­verfügungen konkretisierte.
  • Die BGH-Urteile sind beim Verfassen der Patienten­verfügung unbedingt zu berücksichtigen, damit sie im Ernstfall wirksam ist.

Mit einer Patienten­verfügung sorgen Sie vor für den Fall, dass Sie selbst Ihre Behandlungs­wünsche nicht mehr äußern können. Dies kann im schlimmsten Fall eine Entscheidung über Weiterleben oder das Beenden lebenserhaltender Maßnahmen bedeuten. Wird der Patientenwille zu unkonkret ausgedrückt, ist es für Ärzte allerdings schwer, Patienten­verfügung und Ethik zu vereinbaren.

Damit die Wünsche der Betroffenen klar sind und eins zu eins umgesetzt werden können, hat der Bundesgerichtshof in vier Urteilen die Anforderungen an die Patienten­verfügung dargelegt.

Was bedeuten die BGH-Urteile für Ihre Patienten­verfügung?

  • Allgemeine Anweisungen, wie „Ich wünsche keine lebenserhaltenden Maßnahmen.“ sind nicht konkret genug. Stattdessen müssen bestimmte ärztliche Behandlungs­methoden benannt werden und wann Sie diesen zustimmen bzw. nicht zustimmen.
  • Nennen Sie konkrete Lebens- und Behandlungs­zustände, in denen Sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wünschen.
  • Ist Ihre Patienten­verfügung nicht konkret genug, kann es sein, dass Ärzte und Angehörige Ihre Wünsche missinterpretieren.
  • Zeugenaussagen und andere Anhaltspunkte können herangezogen werden, um zu bestimmen, ob Sie eine Beendigung der lebensverlängernden Maßnahmen gewünscht hätten.
  • Setzen Sie Ihre Patienten­verfügung nur mithilfe von Experten oder Ärzten auf, um zu vermeiden, dass Ihre Verfügung unwirksam wird.

Das BGH-Urteil zu Patienten­verfügung 2016: Genauigkeit ist alles

2016 beschäftigt sich der Bundesgerichtshof (BGH) damit, welche Anforderungen Patienten­verfügungen erfüllen müssen, wenn lebenserhaltende Maßnahmen abgebrochen werden sollen. Die Äußerung, dass man „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ wünscht, ist nach Ansicht des Gerichts nicht konkret genug, ebenso wenig der Wunsch nach einem „würdevollen Sterben“ oder ähnliche allgemeine Anweisungen. Stattdessen müssen Patienten festhalten, welche bestimmten ärztlichen Behandlungs­methoden sie wollen oder nicht wollen. Dieses Urteil hatte weitreichende Konsequenzen, da es mit einem Schlag einen Großteil der bis dahin erstellten Patienten­verfügungen unwirksam machte.

Vor allem Ankreuzformulare und Vordrucke sind oftmals nicht eindeutig genug und enthalten sehr allgemeine Aussagen. Aus diesem Grund raten wir davon ab, ein Ankreuzformular aus dem Internet zu verwenden. Wenn Sie dennoch sehen möchten, wie eine Patienten­verfügung aussehen kann, stellen wir Ihnen unseren Vordruck für die Patienten­verfügung als Ansicht zur Verfügung.

Patientenverfügung BGH-Urteil: Patient im Koma
Der BGH hat in verschiedenen Urteilen immer präziser darüber entschieden, wie eine Patienten­verfügung formuliert werden muss, damit Ärzte und Angehörige die richte Entscheidung treffen können.

Im konkreten Fall ging es um eine Frau, die 2011 einen Hirnschlag erlitten hatte und seit der Behandlung im Kranken­haus über eine PEG-Sonde künstlich ernährt wurde. Später wurde sie in einem Pflege­heim betreut und verlor 2013 die Fähigkeit zur Kommunikation. In einer Patienten­verfügung hatte sie sich für einen solchen Fall gegen „lebenserhaltende Maßnahmen“ ausgesprochen. Ihre Tochter, der sie eine Vorsorge­vollmacht zur Durchsetzung der Patienten­verfügung erteilt hatte, sowie die Hausärztin waren der Ansicht, dass die Frau damit jedoch nicht künstliche Ernährung gemeint hatte. Diese sollte darum nicht abgebrochen werden.

Die anderen Töchter waren mit der Entscheidung jedoch nicht einverstanden und forderten die Einsetzung eines Kontrollbetreuers für die Schwester. Dies lehnte der BGH ab, da nicht feststehe, dass sich die Tochter über den Willen der Mutter hinwegsetze. Aus der Formulierung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ lasse sich nicht herauslesen, dass die Frau künstliche Ernährung abgelehnt hätte.

BGH-Urteil 2017: Konkrete Umstände benennen

Ein Jahr später konkretisierte der BGH seine Anforderungen an die Patienten­verfügung nochmals. Zwar ist die Formulierung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ nicht konkret genug, da die Maßnahmen einzeln benannt werden müssen. Etwas anderes ist es aber, wenn in der Patienten­verfügung die Lebens- und Behandlungs­umstände, in denen keine lebenserhaltenden Maßnahmen gewünscht werden, konkret beschrieben werden und die Patienten­verfügung zusätzlich weitere Formulierungen enthält, denen man den Patientenwillen entnehmen kann.

BGH-Urteil 2018: Dem Sterbewunsch entsprechen

Im November 2018 beschäftigte sich der BGH mit der Frage, wann der in einer Patienten­verfügung geäußerte Wunsch nach Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen von Ärzten und Angehörigen umzusetzen ist. Wie konkret müssen Menschen ihre Wünsche für den Ernstfall festhalten, damit diese auch Berücksichtigung finden?

In diesem Fall hatte eine Wachkomapatientin in ihrer Patienten­verfügung festgehalten, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wünsche, wenn „keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht“. Gleichzeitig hatte die Frau in ihrer Verfügung aktive Sterbehilfe abgelehnt. Die Frau hatte früher zwei Wachkomafälle miterlebt und gegenüber Bekannten gesagt, dass sie nie so daliegen wolle und nicht künstlich ernährt werden wolle, lieber sterbe sie. Mit ihrer Patienten­verfügung habe sie zum Glück vorgesorgt.

Sohn und Ehemann der Frau hatten unterschiedliche Ansichten bezüglich der Abstellung der künstlichen Ernährung. Während der Sohn überzeugt war, seine Mutter wolle nicht künstlich ernährt und so am Leben erhalten werden, war der Ehemann der Ansicht, das Einstellen der künstlichen Ernährung sei aktive Sterbehilfe, die seine Frau ja abgelehnt hatte. Die Richter in Karlsruhe gaben dem Sohn recht. Zwar wurde auch hier die unpräzise Formulierung „lebenserhaltende Maßnahmen“ verwendet, aber die Anhaltspunkte und Zeugenaussagen rechtfertigten die Annahme, dass die Frau keine künstliche Ernährung gewollt habe.

BGH-Urteil 2019: Ärzte haften nicht für Weiter­behandlung

Das bis dato letzte Urteil des Bundesgerichtshofs zum Thema Patienten­verfügung, wurde im April 2019 gesprochen. Dabei ging es um die Haftung von Ärzten. Erhalten Mediziner Patienten durch künstliche Ernährung länger am Leben als medizinisch sinnvoll und verlängern damit ihr Leiden, können die Ärzte nicht haftbar gemacht werden. Nach Ansicht der Richter stellt das Weiterleben keinen Schaden dar, für den Schmerzensgeld und Schadenersatz gefordert werden können. Außerdem könne der Wert des Lebens nicht von Dritten bestimmt werden.

Ein weiteres wichtiges Urteil
Das Bundes­verfassungs­gericht stärkt die Patienten­verfügung

Im August 2021 urteilte das Bundes­verfassungs­gericht, dass die Patienten­verfügung nicht nur zur Kenntnis genommen werden darf, sondern für Ärzte und Angehörige bindend ist. Es ging dabei um Zwangsmaßnahmen, die in der Patienten­verfügung abgelehnt aber dennoch durchgeführt wurden.

So erstellen Sie eine BGH-konforme Patienten­verfügung

Der BGH hat mit seinen Urteilen hohe Hürden für die Präzision von Patienten­verfügungen gelegt. Der Wille des Betroffenen muss unmissverständlich sein, damit im Fall der Fälle genauso gehandelt wird, wie er oder sie es vorher verfügt haben. Genaue Anweisungen erleichtern es außerdem Angehörigen und Ärzten eine Entscheidung über die Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen zu treffen. Gleichzeitig betont der BGH aber auch, dass die Anforderungen an die Patienten­verfügung nicht so hoch sein dürfen, dass sie vom durchschnittlichen Bürger nicht erbracht werden können.

Viele Menschen nutzen für die BGH-konforme Erstellung einer Patienten­verfügung die Textbausteine des Bundesjustizministeriums (BMJV). Diese entsprechen eindeutig den Vorgaben des BGH. Allerdings bieten sie eine Hürde: Wenn Sie Ihre Patienten­verfügung mit den Bausteinen des BMJV erstellen möchten, müssen Sie sich das Dokument selbst zusammenbauen. Am Ende sind Sie mehr damit beschäftigt, die richtigen Bausteine zu finden, als sich Gedanken um Ihre persönlichen Wünsche zu machen.

Afilio nimmt Ihnen diese Arbeit ab. Wir stellen Ihnen einfache Fragen zu Ihren Wünschen und generieren dann automatisch ein rechtsgültiges Dokument, mit dem sie genauso gut abgesichert sind, wie mir den Textbausteinen des BMJV.

Ihre persönliche Patienten­verfügung

Mit Afilio können Sie eine BGH-konforme Patienten­verfügung erstellen – einfach, kostenlos und ganz bequem online. Unsere Verfügungen sind rechtssicher, da wir immer die aktuellsten Formulierungen verwenden, und ohne Notar oder Rechtsanwalt gültig.

Häufig gestellte Fragen

Wo finde ich die Gesetzestexte zur Patienten­verfügung?

Seit 2009 ist die Patienten­verfügung in § 1901a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelt.

Die Beschlüsse und Urteile des Bundesgerichtshofes zur Patienten­verfügung finden Sie hier:

Ist eine Patienten­verfügung auch ohne Notar gültig?

Eine Patienten­verfügung gilt ohne notarielle Beglaubigung oder Beurkundung. Auch einen Rechtsanwalt müssen Sie nicht hinzuziehen. Empfehlenswert ist vor allem die Beratung durch einen Arzt Ihres Vertrauens, denn für Laien ist es so gut wie unmöglich, die Krankheitszustände und gewünschten oder abgelehnten Behandlungen medizinisch eindeutig zu formulieren. Formale Anforderungen gibt es hingegen nur wenige: Die Patienten­verfügung muss in Schriftform vorliegen und eigenhändig unterschrieben sein. Außerdem muss der der Verfasser volljährig und einwilligungsfähig sein.

Quellen

Teilen Sie den Artikel