Rechtsradar: Damit Vorsorge­dokumente aktuell sind

von Afilio
13.10.2023 (aktualisiert: 24.10.2023)

Viele Vorsorge­dokumente liegen seit Jahren in einer Schublade. Meist sind sie veraltet, denn die Rechtslage ändert sich stetig. Ob Patienten­verfügung, Vorsorge­vollmacht oder Testament: Wir informieren Sie über relevante BGH-Urteile der letzten Jahre – für aktuelle und rechtssichere Dokumente.

Das Wichtigste in Kürze:
  • Seit dem 01. Januar 2023 gilt das reformierte Betreuungsrecht. Es stärkt die Selbstbestimmung der Betreuten und die Qualität der rechtlichen Betreuung.
  • Auch gibt es seit dieser Zeit ein befristetes gesetzliches Ehegattennotvertretungsrecht in gesundheitlichen Angelegenheiten.
  • Mehrere BGH-Urteile haben die Anforderungen an die Patienten­verfügung konkretisiert. Insbesondere muss nachvollziehbar sein, was Sie in einer bestimmten Lebens- und Behandlungs­situation wollen und was nicht.
  • Seit Juli 2018 haben Erben einen Anspruch auf den Zugang zu Social-Media-Konten des Verstorbenen und dessen Inhalte.

Wann haben Sie Ihre Vorsorge­dokumente zuletzt aktualisiert? Im Folgenden möchten wir Sie über die wichtigsten gesetzlichen Änderungen informieren, die im Pflege-, Not- oder Todesfall relevant sind. Das ist die Rechtslage im Überblick.

Pflege­fall: Das neue Betreuungsrecht

Seit dem 1. Januar 2023 gilt das reformierte Betreuungsrecht. Es stärkt die Selbstbestimmung von betreuten Menschen und die Qualität der rechtlichen Betreuung. Die Änderungen im Betreuungsrecht erfordern zwar keine Änderung Ihrer Vorsorge­dokumente. Für Betreuende und Betreute sind sie jedoch im Alltag relevant.

Info: Eingeführt wurde das Betreuungsrecht bereits 1992. Für volljährige Betreute gibt es seitdem keinen Vormund mehr, sondern Betreuende. Das heißt: Eine Entmündigung ist seit 30 Jahren nicht mehr möglich.

Wen betrifft das Betreuungsrecht?

Das Betreuungsrecht gilt für Erwachsene, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung ihre rechtlichen Angelegenheiten nicht oder nur begrenzt erledigen können. Es dient dem Schutz und der Sicherheit dieser Menschen.

Haben Sie eine Vorsorge­vollmacht oder Betreuungs­verfügung, kümmert sich die von Ihnen benannte Person um rechtliche Dinge. Liegt beides nicht vor, bestimmt das Betreuungs­gericht einen Betreuer.

Was ist neu im Betreuungsrecht?

Willen, Wünsche und Würde der Betroffenen stehen vermehrt im Mittelpunkt. Autonomie und selbstbestimmte Entscheidungen werden gefördert, eine Stellvertretung ist nur noch die Ausnahme. Die Änderungen betreffen sowohl Betreute als auch Betreuer, die überwiegend unterstützend tätig sein sollen.

Übrigens: Das neue Betreuungsrecht enthält auch Informationen zur Vorsorge­vollmacht, etwa wie Sie die Betreuung durch einen bestellten Betreuer vermeiden.

Das Notvertretungsrecht für Ehegatten

Teil des neuen Betreuungsrechts vom Januar 2023 ist auch die Einführung eines gegenseitigen Vertretungsrechts von Ehegatten in einer medizinischen Akut- oder Notsituation – lediglich bezogen auf gesundheitliche Angelegenheiten.

Wann greift das Notvertretungsrecht?

Das Notvertretungsrecht für Ehegatten kommt zur Anwendung, wenn ein Ehegatte wegen Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheits­sorge rechtlich nicht besorgen kann.

Wichtig: Das Notvertretungsrecht wird nur relevant, wenn die Ehegatten keine Vorsorge­vollmacht besitzen. Der Ehepartner, der vertreten will, muss schriftlich die Voraussetzungen für das Notvertretungsrecht erklären.

Was kann die Vertretung regeln?

Im Bereich der Gesundheits­sorge kann der Ehepartner Behandlungs­verträge abschließen, Maßnahmen der Rehabilitation und Pflege – auch freiheitsentziehende Maßnahmen für kurze Zeit – anordnen. Ärzte sind gegenüber der vertretenden Person von der Schweigepflicht entbunden.

Wie lange gilt das Notvertretungsrecht?

Das Notvertretungsrecht ist begrenzt auf sechs Monate – ab Beginn der Handlungsunfähigkeit. Diese wird durch einen Arzt festgestellt.

Wichtig: Die Vorsorge­vollmacht ist weiterhin dringend zu empfehlen, da das Notvertretungsrecht zeitlich begrenzt und nur für gesundheitliche Belange gilt!

Vorsorge­vollmacht: Das sollten Sie zu rechtlichen Details wissen

Verkauf von Immobilien

Mit der Vorsorge­vollmacht möchten Sie Bevollmächtigten erlauben, über Ihr Vermögen zu verfügen. Diese Regelung gilt nur dann auch für den Verkauf von Immobilien, wenn Ihre Unterschrift offiziell beglaubigt ist. Ohne Beglaubigung dürfen Bevollmächtigte Ihre Immobilien nicht verkaufen, alle weiteren Bestimmungen bleiben aber gültig.

Neuregelung zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen

Das Gesetz vom 18. Februar 2013 zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme hat Auswirkungen auf Vorsorge­vollmachten, die vor diesem Termin erteilt wurden.

Neu ist: Damit der Bevollmächtigte ärztlichen Zwangsmaßnahmen zustimmen kann, muss diese Einwilligung in der Vorsorge­vollmacht ausdrücklich erteilt werden.

Extra-Tipp:
Zur Sicherheit eine Bank­vollmacht

In der Praxis verweigern Banken immer wieder die Anerkennung privater Vorsorge­vollmachten. Sogar bei beurkundeten Vollmachten gibt es manchmal Probleme. Einige Urteilssprüche besagen zwar: Das ist nicht zulässig. Dennoch ist es empfehlenswert, bei dem Kreditinstitut eine gesonderte Bank­vollmacht auszufüllen, die im Idealfall auch das Online-Banking betrifft.

Patienten­verfügung: Wichtige BGH-Urteile im Überblick

Ein Urteil des Bundesgerichtshofes machte 2016 viele der bis dahin erstellten Patienten­verfügungen ungültig: Die Formulierung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ erklärte der BGH als nicht konkret genug. Auch der Wunsch nach einem „würdevollen Sterben“ oder ähnliche allgemeine Anweisungen reichen nicht.

2017 und 2018 folgten weitere Urteile, in denen der BGH die Anforderungen an Patienten­verfügungen konkretisierte. Sie sind beim Verfassen des Dokumentes unbedingt zu berücksichtigen, damit es im Ernstfall wirksam ist.

Was heißt das für Ihre Patienten­verfügung?

  • Durch Ihre Patienten­verfügung muss nachvollziehbar sein, was Sie in einer bestimmten Lebens- und Behandlungs­situation wollen und was nicht.
  • Der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen bedarf nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung, wenn der Betroffene den eigenen Willen bereits konkret in einer Patienten­verfügung niedergelegt hat.
  • Das heißt: Die Anweisungen in der Patienten­verfügung sind auch ohne Einwilligung des Betreuers bindend.
  • Im Zweifelsfall können Zeugenaussagen und andere Anhaltspunkte herangezogen werden, um zu bestimmen, ob eine Beendigung der lebensverlängernden Maßnahmen gewünscht wäre.

Wichtig: Nutzen Sie die Chance, Ihren Willen in einer Patienten­verfügung hinreichend konkret niederzulegen. Mit unserer Vorlage haben Sie ein Dokument auf dem neuesten Stand der aktuellen Rechtsprechung. So beugen Sie Unklarheiten und einem eventuellen Rechtsstreit vor. Ärzte und Angehörige können im Ernstfall  die richtige Entscheidung nach Ihrem Willen treffen.

Ärzte haften nicht für Weiter­behandlung

Im April 2019 stellte der BGH in einem Urteil fest: Ein Arzt haftet nicht bei Lebenserhaltung durch künstliche Ernährung – selbst wenn Leiden dadurch verlängert werden und die Behandlung als nicht medizinisch sinnvoll gilt.

BGH stärkt Patienten­verfügung

Das Bundes­verfassungs­gericht hat im Juni 2021 in einem aktuellen Urteil noch einmal festgelegt, dass die Patienten­verfügung nicht nur zur Kenntnis genommen werden darf, sondern für Ärzte und Angehörige bindend ist.

Medizinische Behandlungen gegen den Willen eines Menschen greifen in sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ein. Wurden Zwangsmaßnahmen in der Patienten­verfügung unmissverständlich abgelehnt, gilt dieser Wunsch.

Testament: Urteil zu Benutzerkonten sozialer Netzwerke

Im Urteil vom 12. Juli 2018 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass digitale Konversationen in sozialen Netzwerken zum Erbe gehören. Der Vertrag über ein Benutzerkonto geht auf die Erben über.

Was bedeutet das in einem Todesfall?

Erben haben einen Anspruch gegen den Netzbetreiber auf Zugang zum Konto des Verstorbenen – einschließlich der Kommunikationsinhalte.

Wichtig: Social-Media-Inhalte lassen sich testamentarisch regeln. Auch bei Afilio können Sie Infos zum digitalen Nachlass hinterlegen – etwa welche Konten relevant und wo die Passwörter zu finden sind.

Immer aktuelle Unterlagen

Wenn Sie Afilio-Mitglied sind, prüfen wir regelmäßig Ihre Dokumente auf rechtliche Aktualität und informieren Sie mit unserem Rechtsradar. Sie bekommen dann eine E-Mail und die Sicherheit: „Ihre Dokumente sind auf dem neuesten rechtlichen Stand.“ Sollte ein Handeln nötig sein, erfahren Sie das rechtzeitig.

Übrigens: Ihre Vorsorge­dokumente können Sie nach der Erstellung bei Afilio jederzeit online bearbeiten. Rechtswirksam werden sie mit Ihrer handschriftlichen oder der neuen digitalen Unterschrift als Teil der Afilio-Mitglied­schaft mit unserer Notfallkarte.

Quellen

Betreuungsrecht12.10.2023

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