Erbstreit: Was tun bei Konflikten unter Miterben?

von Afilio
01.07.2024 (aktualisiert: 31.07.2024)

Erbstreitigkeiten sind keine Seltenheit. Gibt es kein eindeutiges Testament, sind erbrechtliche Konflikte häufig vorprogrammiert. Erbstreit nachhaltig zu lösen, ist nicht leicht. Die Taktik kann von der Entwicklung einer einvernehmlichen Lösung bis zur gerichtlichen Durchsetzung einzelner Ansprüche reichen.

Gründe für einen Streit im Erbfall gibt es viele. Ein Erbe ist unzufrieden mit seinem Anteil und der Erbenstellung. Ein enger Angehöriger wurde enterbt und macht Pflichtteils­ansprüche geltend. Das Testament wird wegen Demenz angefochten. Erben streiten mit dem Testamentsvollstrecker oder die Mitglieder einer Erben­gemeinschaft können sich nicht über Verwaltung oder Verteilung des Nachlass­es einigen. Hauptkonflikt ist häufig Immobilienvermögen.

Erbstreitigkeiten ohne Testament

Hat der Erblasser kein Testament hinterlassen, kann die gesetzliche Erbfolge unerwartete Rechtsfolgen haben. Auch kann ein Testament nicht eindeutig oder unwirksam sein. Das führt immer wieder zu Erbstreitigkeiten, insbesondere unter Geschwistern. Die Pflege der Eltern oder finanzielle Zuwendungen zu Lebzeiten können hier Streitthemen sein.

Konflikt um die Erbenstellung

Ein möglicher Erbe beantragt einen Erbschein, eine andere Person widerspricht diesem Antrag. Schon landet der Erbstreit vor dem Nachlass­gericht. Beim Erbscheinverfahren geht es in der Regel um ein Testament. Dieses kann unter vielfältigen Gründen angefochten werden. Gilt ohne Testament die gesetzliche Erbfolge, ist diese in der Regel sehr eindeutig – außer bei komplizierten Verwandtschaftsverhältnissen oder bei einem Erbfall, für den ein ausländisches Erbrecht gilt.

Gut zu wissen: Bei eigenhändig geschriebenen Testamenten ohne notarielle Beurkundung und fachliche Hilfe gibt es fast immer Möglichkeiten der verschiedenen Testamentsauslegungen.

Was tun bei Streit um die Erbenstellung?

Wenn es darum geht, wer überhaupt erbt, sollten Sie einen Rechtsanwalt zurate ziehen und mit diesem zusammen Argumente für Ihre eigene Position suchen. Das kann bereits für Klarheit und Einigkeit unter Miterben sorgen. Dann besteht die Möglichkeit, einen gemeinschaftlichen Erbscheinsantrag beim Nachlass­gericht zu stellen. Alternativ ist eine Erbfeststellungsklage beim Zivilgericht möglich.

Erbstreit in der Erben­gemeinschaft

Konflikte unter Miterben können zu jahrelangem Rechtsstreit und einem Werteverfall des Nachlass­es führen. Die Erben­gemeinschaft ist besonders anfällig für Erbstreit, da die Mitglieder das Erbe einvernehmlich auflösen bzw. den Nachlass gemeinsam verwalten müssen. Hierfür gibt es keine klaren Spielregeln. Auskunftsansprüche untereinander sind eingeschränkt. Ohne Einigung kommt es zu Pattsituationen. Wird nicht frühzeitig Konflikten vorgebeugt, etwa durch einen Mediator, kann der Verkauf des eigenen Erbteils der schnellste Weg sein, um an Geld zu kommen. Besprechen Sie mit einem Fachanwalt, wann und ob das für Sie sinnvoll ist.

Hauptkonflikt Immobilien

Wenn ein Immobilienvermögen den Hauptgegenstand des Nachlass­es darstellt, kann es problematisch werden. Ein Miterbe möchte verkaufen, der andere nicht. Kommt es zu keiner Einigung, gibt es nur eine Lösung: die Durchführung der Teilungsversteigerung, eine Form der Zwangsversteigerung. 18 Prozent aller Zwangsversteigerungen entfallen auf die Auflösung von Gemeinschaften, meist durch Erbstreit. Sind auch dazu nicht alle Miterben bereit, verfällt die Immobilie und verliert an Wert. Erben, die verkaufen möchten, sehen kein Geld.

Was tun bei einem Erbstreit um Immobilien?

Wird die Immobilie von der Erben­gemeinschaft verkauft, kann das gebundene Vermögen freigesetzt und ein Wertverfall vermieden werden. Möchten Miterben am Objekt festhalten, müssen sie die übrigen Erben auszahlen. Eine weitere Möglichkeit ist, einen externen Anteilserwerber hinzuzuziehen. Manche bieten sogar an, das Objekt zu verwalten.

Gut zu wissen: Der Idealfall ist natürlich, dass gar kein Erbstreit entstehen kann, weil der Erblasser zu Lebzeiten die Entstehung einer Erben­gemeinschaft verhindert oder zumindest klare Teilungs­anordnungen in einem Testament verfügt hat. Auch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers kann effektiv Erbstreitigkeiten vorbeugen.

Pflichtteil einfordern

Im deutschen Erbrecht haben Kinder, Ehepartner und in manchen Fällen auch Eltern eines Erblassers Anspruch auf einen Pflichtteil, selbst wenn sie testamentarisch enterbt wurden. Die Pflichtteils­quote beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Häufig kommt es zum Erbstreit, weil der Pflichtteil eines gesetzlichen Erben zu gering ausfällt. In diesem Fall gilt es, sich auch Schenkungen in den letzten zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers genau anzusehen.

Was tun bei Pflichtrechts-Erbstreit?

Das Pflichtteils­recht gewährt enterbten Angehörigen eine starke Rechtsposition mit vielen Ansprüchen auf Auskunft, Wertermittlung und natürlich Zahlung des Pflichtteils. Bei manchen Fällen ist die Pflichtteils­problematik nicht klar zu erkennen. Auch können Pflege­leistungen zugunsten des Erblassers die Pflichtteils­quote verändern. Ansprüche sind dann meist nur mit einem auf Erbrecht spezialisierten Rechtsanwalt durchzusetzen.

Streit mit dem Testamentsvollstrecker

Viele Erben fühlen sich bevormundet und benachteiligt, wenn eine familienfremde Person mit der Vollstreckung des Testaments vom Erblasser beauftragt wurde. Kein Wunder, denn die Macht des Testamentsvollstreckers ist groß. Wichtig zu wissen: Er verwaltet zwar allein den Nachlass, ist aber den Erben gegenüber zur Auskunft und detaillierter Rechenschaft verpflichtet. Auch kann er für Fehler haftbar gemacht werden.

Ein weiterer Streitpunkt ist die Vergütung des Testamentsvollstreckers. Laut Gesetz soll diese „angemessen“ sein, was nicht näher bestimmt ist, wenn es keine ausdrückliche testamentarische Regelung gibt. Als Erbe sollten Sie sich daher frühzeitig über Ihre Rechte informieren.

Was tun bei Ärger mit dem Testamentsvollstrecker?

Es besteht die Möglichkeit, den Testamentsvollstrecker zu entlassen. Dafür müssen allerdings wichtige Gründe vorliegen. Für eine Entlassung müssen Sie beim Nachlass­gericht einen Antrag stellen und diesen gut begründen – etwa bei grober Pflichtverletzung.

Die beste Strategie im Erbstreit

Leider ist es meist sehr schwierig, Erbstreitigkeiten wieder beizulegen, wenn sie erst einmal entstanden sind. Auch wenn der Erblasser zu Lebzeiten alle empfohlenen Vorkehrungen getroffen hat, um einen Erbstreit zu vermeiden, ist dies nicht garantiert. Erbauseinandersetzungen sind belastend und verursachen enorme Kosten. Wie gelingt trotzdem eine nachhaltige Konfliktlösung?

Grundsätzlich kann ein Erbstreit auch ohne Gericht beigelegt werden. Eine friedliche Lösung sollte immer bevorzugt werden. Geht es um die Frage, wer überhaupt Erbe ist, entscheidet dies aber das Nachlass­gericht. Folgende Schritte sind bei Erbstreitigkeiten möglich:

1. Auflösung der Erben­gemeinschaft

Die Erben­gemeinschaft aufzulösen, kann Erbstreit verhindern. Allerdings ist eine Auflösung nicht einfach möglich. Für eine sogenannte Teilungsreife müssen Nachlass­verbindlichkeiten gänzlich geregelt sein und das Vermögen ohne Werteverlust aufgeteilt werden können. Auch müssen sich alle Miterben einig sein – etwa über die Verteilung des Nachlass­es oder über die Auszahlung von Miterben. Wird keine Einigung erzielt, sind weitere Schritte nötig.

Wichtig zu wissen: Es steht jedem Miterben offen, seinen Erbteil zu verkaufen. Die anderen Miterben haben jedoch ein Vorkaufsrecht, das zwei Monate gilt.

2. Mediation bei Erbstreit

Häufig werden im Erbfall Beziehungskonflikte befeuert, die Familien bereits vor dem Tod des Erblassers belastet haben. Ein Mediator ist ein professioneller Streitschlichter, der zwischen den streitenden Miterben vermitteln kann. Ziel ist immer die Annäherung beider Parteien und eine einvernehmliche Lösung. Ist diese gefunden, kann ein Erbauseinandersetzungsvertrag aufgesetzt werden.

3. Schiedsverfahren zur Einigung

Mit einem Schiedsverfahren kann ein Erbstreit außergerichtlich beigelegt werden – entweder durch Schlichtung oder ein für alle Miterben verbindliches Urteil durch einen Schiedsspruch. Der Vorteil: Es ist kostengünstiger und weniger zeitintensiv als ein Gerichtsverfahren. Vor dem Schiedsverfahren ist jedoch eine Mediation zu empfehlen.

4. Gerichtsverfahren unter Miterben

Das letzte Mittel der Wahl, um einen Erbstreit beizulegen, ist ein Verfahren vor Gericht. Es kommt dazu, wenn ein Miterbe eine Erbauseinandersetzungsklage – auch Teilungsklage genannt – einreicht. Der Konflikt wird dadurch nicht beigelegt, aber die Erben­gemeinschaft kann aufgelöst und der Nachlass verteilt werden. Der Nachteil: Es fallen hohe Kosten an, die der Kläger vorstrecken muss. Auch können Erlöse – etwa durch eine Teilungsversteigerung von Immobilien oder den Pfandverkauf von Schmuck – geringer ausfallen als ohne den Rechtsweg.

Wichtig zu wissen: Eine Teilungsklage ist nicht möglich, wenn der Erblasser im Testament ein Teilungsverbot angeordnet hat oder verfügt hat, dass Miterben bestimmte Nachlass­gegenstände bekommen sollen. Auch müssen alle Miterben feststehen.

Kläger sind die Miterben, die sich mit dem erstellten und der Klage beigefügten Teilungsplan zur Aufteilung des Nachlass­es einverstanden erklären. Beklagte sind die Miterben, die dieser Aufteilung nicht zustimmen.

Das deutsche Erbrecht ist komplex und für Laien schwer zu überblicken. Um Erbstreit zu verhindern, kann eine Rechtsberatung für Ihren individuellen Fall sinnvoll sein.

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