MD-Begutachtung: So läuft die Pflege­begutachtung

von Johannes Kuhnert
21.08.2019 (aktualisiert: 31.01.2024)
Das Wichtigste in Kürze:
  • Die Pflege­begutachtung dient dazu, den tatsächlichen Pflege­bedarf eines Antragstellers festzustellen.
  • Gutachter vom Medizinischen Dienst besuchen den Antragsteller und seine Angehörigen vor Ort und prüfen die Selbständigkeit des Betroffenen anhand eines standardisierten Fragebogens in sechs Kategorien.
  • Angehörige und Pflege­dienste können (und sollten) beim Begutachtungstermin vor Ort sein und Gutachter sowie Betroffenen mit entscheidenden Ergänzungen unterstützen.
  • Das Ergebnis des Gutachtens geht der Pflege­kasse zu, die anschließend über die Anerkennung eines Pflege­grads entscheidet.
  • Sind Sie mit dem Ergebnis des Antrags nicht einverstanden, können Sie Ihren Widerspruch gegen das Ergebnis des Gutachtens einreichen.

Der Medizinische Dienst ist für die Einstufung von Pflege­bedürftigen in Pflege­grade verantwortlich. Die Pflege­kasse beauftragt den Medizinischen Dienst damit, in einer Begutachtung festzustellen, ob Pflege­bedürftigkeit vorliegt. Erfahren Sie hier, wie Sie sich am besten auf eine Pflege­begutachtung vorbereiten.

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Medizinischer Dienst: Prüfung der Pflege­bedürftigkeit

Sobald Sie bei der Pflege­kasse Pflege­leistungen beantragt haben, prüft diese, ob der Antrag begründet ist. Das geschieht im Rahmen des Neuen Begutachtungs­assessments (NBA), das der Gesetzgeber 2017 im Rahmen des Zweiten Pflege­stärkungsgesetz PSG II eingeführt hat. Das standardisierte Verfahren ermöglicht es, die Pflege­bedürftigkeit der Antragsteller zu überprüfen. Zusätzlich wird überprüft, ob die Versorgung mit Pflege­hilfsmitteln angemessen ist und ob Leistungen zur Prävention oder zur Rehabilitation empfohlen werden sollten.

Die Prüfung übernehmen Gutachter vom MD (Medizinischer Dienst Bund) für gesetzlich Versicherte oder von Medicproof, dem medizinischen Dienst der privaten Versicherer.

Die Gutachter der Dienste besuchen pflegebedürftige Personen üblicherweise in ihrem häuslichen Umfeld, um die tatsächliche Belastung im Alltag nachvollziehen zu können. Damit sie ein möglichst authentisches Bild vermitteln können, ist es sinnvoll den Besuch des Gutachters vorzubereiten.

Neue Begutachtungs-Richtlinien
Jetzt auch Gutachtertermin per Telefon möglich

Der Medizinische Dienst Bund hat eine überarbeitete Fassung der Richtlinien zur Feststellung von Pflege­bedürftigkeit erlassen. Diese wurde vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigt und trat am 18.11.2023 in Kraft.

Mit dem Pflege­unterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) wurden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, um die Begutachtung zur Feststellung von Pflege­bedürftigkeit in bestimmten Fällen auch in Form eines Telefoninterviews durchführen zu können.

MD-Termin: So bereiten Sie sich richtig auf die Begutachtung vor

Nachdem Sie Ihren Antrag bei der Pflege­kasse für sich oder einen Angehörigen gestellt haben, sollten Sie eine möglichst genaue Darstellung der konkreten Situation vorbereiten. Das können Sie etwa in Form eines mehrwöchigen Pflege­tagebuchs tun.

Die genaue Protokollierung des eigenen Bedarfs per Pflege­tagebuch ist nicht nur sinnvoll für den Gutachter, sie hilft auch pflegenden Angehörigen, sich selbst die wesentlichen Punkte des Bedarfs zu veranschaulichen. Für den MD-Termin sind, je nachdem wie anspruchsvoll der Einzelfall ist, bis zu zwei Stunden Besuchszeit vorgesehen. Je genauer die Angaben sind, die Sie dem Gutachter vorlegen können, desto reibungsloser kann die Anerkennung eines passenden Pflege­grads erfolgen.

Treffen Sie idealerweise die richtigen Vorbereitungen, indem Sie diese Dokumente und Informationen bereithalten:

  • Pflege­tagebuch
  • ausgefüllter MD-Fragebogen (wenn bereits erhalten)
  • Name und Anschrift aller bislang behandelnden Ärzte
  • Einschätzungen des eigenen Hausarztes und bis dato involvierter Fachärzte
  • ggf. Patientenakten von Kranken­haus­behandlungen der letzten 2 bis 3 Jahre
  • Auflistung aller aktuell verschriebenen Medikamente
  • Name und Anschrift aller pflegenden Personen
  • ggf. Pflege­dokumentation, wenn bereits ein Pflege­dienst beauftragt ist
  • ggf. Auflistung aller benötigten Pflege­hilfsmittel
  • ggf. Behindertenausweis

Wer kann Ihnen bei der Vorbereitung helfen?

Haben Sie den Pflege­grad für eine angehörige Person beantragt, dann besprechen Sie den Termin im Vorfeld mit ihr. Ziehen Sie auch behandelnde Ärzte und Pflege­dienste mit ins Vertrauen. Es kann sinnvoll sein, Pflege­dienstmitarbeiter zum Termin mit einzuladen. Dank ihrer Erfahrung wissen sie, welche Aspekte bei der Begutachtung maßgeblich sind und welche zunächst zurückgestellt werden können.

Checkliste zur Vorbereitung auf den MD-Termin

Wie Sie sich am besten auf Ihre Begutachtung durch den Medizinischen Dienst vorbereiten, erklären wir Ihnen noch einmal in einem Dokument zum kostenlosen Download.

Wie läuft die Pflege­begutachtung ab?

Die Begutachtung dauert in etwa eine Stunde. In dieser Zeit unterhält sich der Gutachter mit der pflegebedürftigen Person und den pflegenden Angehörigen, stellt Fragen zu den Problemen im Alltag, der medizinischen Vorgeschichte, dem Befinden und sieht sich meist auch in den Wohnräumen um.

Gemessen an der Tragweite dieser Begutachtung ist eine Stunde nicht sehr lange und stellt nur eine Momentaufnahme dar. Deshalb ist es wichtig, sich vorzubereiten, damit der Gutachter die Situation in Gänze erfassen kann und Sie die Unterstützung bekommen, die Ihnen zusteht.

Häufige Fehler: Diese Fallstricke sollten Sie vermeiden

Gerade Menschen früherer Generationen möchten zumeist niemandem unnötig zur Last fallen. Andere empfinden den Besuch des MD-Gutachters als Prüfung, die unbedingt mit Bravour bestanden werden muss. Sprechen Sie darum mit dem Betroffenen darüber, worauf es beim MD-Termin tatsächlich ankommt. Allzu häufig stellen sich Bedürftige im Rahmen der Prüfung deutlich robuster dar als es den Tatsachen im Alltag entspricht.

Im ungünstigsten Fall wird nicht der passende oder aber überhaupt kein Pflege­grad zuerkannt – mit gravierenden finanziellen Einbußen und anhaltender Alltagserschwernis für den Betroffenen selbst und seine Angehörigen. Die MD-Begutachtung ist keine Prüfung, bei der es darum geht, einen möglichst gesunden Eindruck zu vermitteln.

​Das können Sie während des MD-Termins tun

Gutachter von MD und Medicproof sind intensiv geschulte Fachkräfte, die häufig nicht nur aufgrund Ihrer Sachkenntnis in der Lage sind, die richtige Einschätzung eines Betroffenen vorzunehmen, sondern auch auf der Basis jahrelanger Erfahrung. Der eigentliche MD-Termin dient dazu, die Selbständigkeit des betroffenen Antragstellers in sechs unterschiedlichen Lebensbereichen zu prüfen:

  1. Mobilität 10 %
  2. kognitive und kommunikative Fähigkeiten 15 % (zusammen mit Punkt 3)
  3. Verhaltensweisen mit psychischen Problemlagen 15 %
    (zusammen mit Punkt 2)
  4. Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte 15 %
  5. Bewältigung und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen 20 %
  6. Selbstversorgung 40 %
Frau füllt Fragebogen aus
Die Selbständigkeit wird anhand eines standardisierten Fragebogens erfasst.

Idealerweise sollten Sie selbst und – falls bereits involviert – ein Mitarbeiter des Pflege­dienstes der Begutachtung beiwohnen. Nicht immer beschreiben die Betroffenen selbst alle Details Ihrer Einschränkungen in ausreichendem Maß. Aber auch Missverständnisse lassen sich ggf. leichter ausräumen, wenn nahe Angehörige oder erfahrene Pflege­kräfte die tatsächlichen Gegebenheiten mit zusätzlichen Erläuterungen begleiten. Aber: Reißen Sie das Gespräch nicht an sich. Es ist wichtig, dass der Betroffene selbst ein realistisches Bild seiner augenblicklichen Situation vermittelt.

Unterstützen Sie also Gutachter und Antragsteller am besten, indem Sie dazu beitragen, möglichst Informationen zu ergänzen, die in irgendeiner Form dazu beitragen könnten, die Selbstständigkeit des Betroffenen korrekt einzuschätzen, während das eigentliche Gespräch läuft: Das betrifft die räumliche Unterbringung genauso wie das allgemeine Stimmungsbild, körperliche Einschränkungen oder alltägliche Gewohnheiten.

Nach dem MD-Termin: So geht es weiter

Im Anschluss an den Begutachtungstermin wird das Gutachten zur Pflege­bedürftigkeit erstellt und der Pflege­kasse übermittelt. Das Gutachten ist die Grundlage für die Entscheidung, ob die Pflege­kasse einen Pflege­grad anerkennt. Dem Antragsteller geht ebenfalls eine Kopie des Gutachtens zu, das passiert üblicherweise zusammen mit dem Bescheid zum Pflege­grad. Gleichzeitig erhalten Angehörige Empfehlungen und Hinweise des Gutachters zu Pflege­hilfsmitteln und angezeigten Möglichkeiten zur Rehabilitation oder unmittelbaren Prävention.

Auch ein erneuter Begutachtungstermin kann bereits anberaumt werden, um ggf. eine längerfristige Prognose stellen zu können. Die Pflege­kasse wird die hier aufgeführten Empfehlungen selbst heranziehen, um notwendige Pflege- und Behandlungs­schritte einzuleiten, etwa in Form eines Antrags zu medizinischen Behandlungs­leistungen, der Ihnen auch ohne weitere Aufforderung direkt zugeht. Diese Leistungen müssen Sie nicht explizit selbst beantragen. Wurden Pflege­hilfsmittel empfohlen, wird die Pflege­kasse mit Ihnen in Kontakt treten, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Widerspruch: Das können Sie tun, wenn Sie mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden sind

Es kann vorkommen, dass Angehörige und Antragsteller lediglich den Bescheid über Anerkennung oder Ablehnung eines Pflege­grads erhalten – nicht jedoch das zugrundeliegende Pflege­gutachten. Gerade bei ablehnenden Bescheiden sollten Sie auf Übersendung des Gutachtens bestehen – das benötigen Sie nämlich auch als Argumentationsgrundlage, wenn Sie Widerspruch gegen das Ergebnis der Begutachtung einreichen wollen.

Sollten Sie tatsächlich den Eindruck haben, dass der zuerkannte Pflege­grad ungenügend ist oder dass die Ablehnung eines Pflege­grads insgesamt unberechtigt erfolgt ist, dann sollten Sie Widerspruch einreichen. Auch wenn MD-Gutachter geschulte Fachkräfte sind, sind sie doch beauftragte Gutachter der Pflege­kasse und damit angehalten, nicht allein die für den Betroffenen bestmögliche Lösung zu finden, sondern auch die Interessen der Versicherung zu berücksichtigen.

Gut zu wissen: Wer privat versichert ist, hat keinen Anspruch auf Widerspruch gegen den Pflege­bescheid des Versicherungsträgers. Sind Sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden, können Sie aber vor dem zuständigen Sozialgericht klagen.

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Ihre Fragen zur Pflege­begutachtung:

Welche Fragen stellt der MD bei der Begutachtung?

Der MD stellt verschiedene Fragen, die sich sowohl auf Ihre Gesundheit und Ihr Umfeld als auch auf Ihre Selbstständigkeit beziehen. Dazu gehört z. B. die Frage danach, wie beweglich Sie sind oder auch die Frage, welche Alltagsaufgaben Sie nicht mehr alleine bewältigen können.

Beispielfragen:

  • Welche Erkrankungen oder Behinderungen wurden bei Ihnen festgestellt?
  • Werden Sie von Angehörigen oder einem Pflege­dienst gepflegt?
  • Können Sie selbstständig aufstehen, sitzen, gehen und sich festhalten?
  • Benötigen Sie Hilfe bei der Körperpflege?
  • Benötigen Sie Hilfe bei der Ernährung?
Was prüft der Medizinische Dienst?

Der medizinische Dienst versucht mithilfe des Neuen Begutachtungs­assessments, kurz NBA, herauszufinden, wie selbstständig pflegebedürftige Menschen sind. Dazu wird ein Gutachten angefertigt, das der Pflege­kasse übergeben wird. Das Gutachten und der darin geschilderte Grad der Selbstständigkeit sind die Grundlage dafür, welchen Pflege­grad die Pflege­kasse anerkennt.

Um die Qualität in der Pflege zu wahren, kontrollieren Mitarbeiter des MD mindestens einmal pro Jahr Pflege­einrichtungen. Der MD wird auch aktiv, wenn Unklarheiten oder Probleme in Bezug auf medizinische Behandlungen im Kranken­haus entstehen.

Zudem stehen Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes den Trägern der Gesetzlichen Kranken­versicherung als Sachverständige bei der Beurteilung der individuellen Arbeits­unfähigkeit von Antragsstellern zur Verfügung, beispielsweise wenn ein versicherter Arbeitnehmer auffällig häufig für eine kurze Dauer arbeitsunfähig ist.

Was war der MDK?

Mit Beschluss des Bundeskabinetts zum MDK-Reformgesetz am 17. Juli 2019 wurde der bisherige "Medizinische Dienst der Kranken­kassen" aus dem Kranken­kassenverbund herausgelöst und als eigenständige "Medizinische Dienste" (MD) neu ausgerichtet. Ziel der Neuausrichtung war dafür zu sorgen, dass die Medizinischen Dienste sich mehr auf ihre Kernaufgaben konzentrieren konnten.

Was ist das Neue Begutachtungs­assessment (NBA)?

Das NBA ist ein Begutachtungsinstrument zur Feststellung von Pflege­bedürftigkeit. Es wurde Anfang 2017 im Zuge der Pflege­reform durch das Zweite Pflege­stärkungsgesetz (PSG II) eingeführt, zusammen mit einem neuen Pflege­bedürftigkeitsbegriff und den fünf Pflege­graden.

Kernpunkt war die Einführung des neuen Pflege­bedürftigkeitsbegriffs: Kritiker hatten vor der Reform immer wieder bemängelt, dass sich das zu eng gefasste Verständnis von Pflege­bedürftigkeit negativ auf das gesamte Pflege­system auswirke.

Wie lange dauert es vom MD-Termin bis zum Bescheid?

In der Regel dauert es 25 Arbeitstage, also etwa fünf Wochen, bis Sie den Bescheid von der Pflege­kasse erhalten. In akuten Fällen muss die Kasse deutlich schneller sein: Dann hat sie nur eine Woche für die Entscheidung. Benötigt die Kasse deutlich länger als die vorgeschriebenen 25 Tage, hat der Antragsteller Anspruch auf eine Pauschale von 70 Euro pro Woche, die die Kasse ihm auszahlen muss.

Was ist MEDICPROOF?

MEDICPROOF ist der medizinische Dienst der Privaten Kranken­versicherung. Ob Privatversicherte einen Pflege­grad und somit Anspruch auf Leistungen der privaten Pflege­versicherung erhalten, hängt vom MEDICPROOF-Gutachten ab.

Der MEDICPROOF-Gutachter bewertet bei einem Hausbesuch die Selbstständigkeit des Antragstellers nach gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien. Je nach Gesamtpunktzahl wird ein Pflege­grad anerkannt oder der Antrag abgelehnt.

Quellen

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