Gesetze zur Pflege: Die rechtlichen Grundlagen
Pflegegesetze und Pflegerecht: Die wichtigsten Grundlagen
Seit der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung im Jahr 1995 ist ein komplexes Regelwerk aus Änderungsgesetzen, Verordnungen und Anpassungen entstanden. Wir erklären die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen.
SGB XI: Rechtsgrundlage der Pflege
Wer pflegebedürftig ist, hat Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung. Die Rechtsgrundlage für alle Leistungen der sozialen Pflegekassen ist im Elften Buch Sozialgesetzbuch oder kurz SGB XI geregelt. Das SGB XI enthält alle Vorschriften für die soziale Pflegeversicherung in Deutschland. Es umfasst Rechte und Pflichten von Versicherten, Angehörigen, ambulantem und stationärem Pflegepersonal, allen zugehörigen Einrichtungen und den Pflegekassen.
Die wichtigsten Paragraphen stellen wir an dieser Stelle vor:
-
§ 14: Begriff der Pflegebedürftigkeit
Hier wird erklärt, wer überhaupt Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen darf, und zwar über die Definition der Pflegebedürftigkeit. Sie ist gegeben bei „Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen“. Maßgeblich für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit sind die sechs Teilbereiche Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen und Gestaltung des Alltagslebens.
Diese Punkte finden vor allem im Neuen Begutachtungsassessment (NBA) durch den MDK zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit Anwendung.
-
§ 36: Pflegesachleistung
Mit § 36 SGB XI regelt der Gesetzgeber die sogenannten „Pflegesachleistungen“. Bei den Pflegesachleistungen handelt es sich um finanzielle Aufwendungen, die von Betroffenen ab Pflegegrad 2 für die Betreuung durch professionelles Pflegepersonal im häuslichen Umfeld nutzen können.
-
§ 37: Pflegegeld
Das Pflegegeld, wie es in § 37 SGB XI festgehalten ist, wird direkt an den Betroffenen ausgezahlt, um die Pflege durch Angehörige oder Ehrenamtliche zu realisieren. Genau wie die Pflegesachleistungen steht das Pflegegeld nur Betroffenen ab Pflegegrad 2 bis Pflegegrad 5 offen. Des Weiteren regelt § 37, dass Pflegebedürftige, die Pflegegeld in Anspruch nehmen, und ihre pflegenden Angehörigen dazu verpflichtet sind, in regelmäßigen Abständen eine Pflegeberatung wahrzunehmen.
-
§ 38 Kombination von Geldleistung und Sachleistung (Kombinationsleistung / Kombileistung)
Mit § 38 SGB XI hat der Gesetzgeber Vorsorge für den häufigen Fall getroffen, dass Betroffene nicht ausschließlich Leistungen der ambulanten Pflege oder durch pflegende Angehörige in Anspruch nehmen möchten. In diesem Fall können sie die Mittel aus Pflegegeld und Pflegesachleistung anteilig miteinander verbinden.
-
§ 39: Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson
§ 39 SGB XI regelt die Pflege des Betroffenen, wenn die private Pflegeperson zeitweilig verhindert ist. Hierbei handelt es sich um die sogenannte „Verhinderungspflege“, bzw. „Ersatzpflege“. Voraussetzung für die vollständige Bewilligung der Mittel ist allerdings, dass die genannte Pflegeperson zuvor für wenigstens sechs Monate die Pflege des Betroffenen geleistet hat, der wenigstens Pflegegrad 2 hat.
-
§ 40: Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen
§ 40 SGB XI regelt den Anspruch Pflegebedürftiger auf pflegeunterstützende Hilfsmittel und finanzielle Mittel zur Wohnraumanpassung. Bei Pflegehilfsmitteln handelt es sich um Hilfsmittel zur Erleichterung der Pflege oder Linderung von Beschwerden.
Damit Betroffene möglichst lange selbstständig in ihrem häuslichen Umfeld leben können, fördert die Pflegekasse die Wohnraumanpassung, wie z. B. barrierefreies Bauen mit bis zu 4000 € je Maßnahme.
-
§ 42: Kurzzeitpflege
In § 42 SGB XI ist die überbrückende stationären Pflege geregelt, etwa für den Fall, dass der betroffene Versicherte nach einem Krankenhausaufenthalt übergangsweise intensivere Betreuung benötigt, als sie von den pflegenden Angehörigen oder im Rahmen der ambulanten Pflege erbracht werden kann. Für Situationen wie diese hat der Gesetzgeber das Instrument der sog. Kurzzeitpflege geschaffen, die in aller Regel von einem institutionellen Pflegeheim erbracht wird.
-
§ 43 Vollstationäre Pflege
Unter § 43 SGB XI werden die Leistungen zur Pflege in einer Unterbringung abgehandelt. Dabei wird zwischen drei Möglichkeiten unterschieden: Der Pflege in einer vollstationären Einrichtung, der Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen und der zusätzlichen Betreuung in einer stationären Pflegeeinrichtung.
-
§ 45 Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen
Auch für Angehörige sind unter § 45 SGB XI maßgebliche Hilfen festgehalten – etwa zur Schulung bei Ausübung einer pflegerischen Tätigkeit als pflegender Angehöriger oder Ehrenamtlicher. Pflegekassen müssen unentgeltliche Pflegekurse anbieten, einerseits um das Engagement in der Pflege zu erhöhen, andererseits aber auch um die Pflege selbst zu verbessern und damit einhergehende Belastungen zu mindern.
SGB V in der Pflege: Diese Paragraphen sind für Pflegebedürftige wichtig
Im SGB V befinden sich vor allem Regelgungen zur Krankenversorgung Pflegebedürftiger. Wir stellen an dieser Stelle die wichtigsten Gesetze aus dem SGB V vor, die auch für die Pflege von Bedeutung sind.
-
§ 37 SGB V: Häusliche Krankenpflege
Die häusliche Krankenpflege dient dazu, Versicherte zu versorgen, die nach einem Eingriff oder einer akuten Erkrankung in einem zeitlich begrenzten Umfang Pflege benötigen, dafür aber keine Klinik oder Rehabilitationseinrichtung aufsuchen möchten. Im Gegensatz zur regulären pflegerischen Versorgung können Versicherte die häusliche Krankenpflege nach SGB V nur in Anspruch nehmen, wenn sie nach SGB XI keinen anerkanntem Pflegegrad haben.
Pflegebedürftige, die in einem Pflegeheim leben, können die häusliche Krankenpflege zumindest als Teilleistung in Form der Behandlungspflege in Anspruch nehmen. Allerdings gilt das nur bei außergewöhnlich schweren Verläufen.
-
§ 37b SGB V: Spezialisierte ambulante Palliativversorgung
Alle Krankenversicherten können seit 2007 nach ärztlicher Verordnung Leistungen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (kurz: SAPV) im Rahmen der Palliativpflege in Anspruch nehmen. Die SAPV richtet sich an Patienten mit unheilbaren Erkrankungen, deren Verlauf auf eine begrenzte Lebenserwartung schließen lässt. Leistungen der SAPV umfassen kurative Maßnahmen wie Schmerztherapie symptomatische Behandlungen, aber auch pflegerisch-betreuende sowie seelsorgerische Dienste und psychosoziale Leistungen.
Auch Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung können SAPV nutzen, allerdings nur im Rahmen der medizinisch-kurativen Versorgung.
-
§ 38 SGB V: Haushaltshilfe
Versicherte, die infolge eines Krankenhausaufenthalts oder eines anderweitigen medizinischen Eingriffs voraussichtlich nicht ohne Weiteres wieder in der Lage sein werden, ihren Haushalt selbständig zu führen, können für die Dauer von vier Wochen eine von der Krankenkasse finanzierte Haushaltshilfe in Anspruch nehmen. Das gilt allerdings nur, wenn sie mit keiner anderen Person in einem Haushalt leben, der ihnen bei der Haushaltsführung unter die Arme greifen kann. Allerdings finanziert die Krankenkasse diese Leistung nicht vollständig, ein Eigenanteil von 5 bis 10 Euro kann pro Tag kann vom Versicherten gefordert werden.
-
§ 39a SGB V: Stationäre und ambulante Hospizleistungen
Ist es aus bestimmten Gründen nicht möglich, einem schwerkranken Menschen das Sterben in seinem vertrauten Umfeld zu gestatten, kann die Krankenkasse die Unterbringung in einem Hospiz bewilligen und die Kosten dafür vollständig übernehmen. Das kann auch dann der Fall sein, wenn pflegende Angehörige nicht mehr in der Lage sind, die Pflege selbst zu leisten oder wenn ein neuerlicher Klinikaufenthalt keine Wirkung mehr zeigen würde.
-
§ 39b SGB V: Hospiz- und Palliativberatung durch die Krankenkassen
Ergänzend zum vorherigen Absatz a umfasst der Absatz b des § 39 SGB nun eine umfassende kostenlose Beratung für Versicherte. Krankenkassen leisten Unterstützung bei der Suche nach passenden Beratungs- und Versorgungsmaßnahmen zu Palliativ- und Hospizangeboten.
-
§ 39c SGB V: Kurzzeitpflege bei fehlender Pflegebedürftigkeit
Auch Versicherte ohne Pflegegrad können seit dem Jahr 2016 Maßnahmen der Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen. Dieser Anspruch ist auf höchstens vier Wochen befristet und soll dazu dienen, Betroffene nach einem Krankenhausaufenthalt oder einem anderweitigen Eingriff zu versorgen, wenn Maßnahmen eines ambulanten Pflegedienstes für die Genesung nicht ausreichen würden. Die Krankenversicherung trägt die reinen Pflegekosten, alle darüber hinausgehenden Kosten für Unterbringung, Verpflegung und die sog. Investkosten müssen Betroffene selbst tragen.
-
§ 40 SGB V: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
Rehabilitation (häufiger: „Reha“) umfasst alle Maßnahmen zur medizinischen Wiederherstellung, beruflichen Wiederbefähigung und sozialen Wiedereingliederung. Im Rahmen der Pflege ist der SGB V für eine ganze Reihe von Alters- und Krankheitsbildern von Bedeutung. Entsprechende Maßnahmen können – je nach Art der vorliegenden Krankheit – in vielen Fällen nicht nur stationär, sondern auch ambulant ergriffen werden.
-
§ 119b SGB V: Ambulante Behandlung in stationären Pflegeeinrichtungen
In § 119b SGB V wird die „kooperative und koordinierte ärztliche und pflegerische Versorgung in stationären Pflegeeinrichtung“ konkretisiert. Zentraler Bestandteil dieser gesetzlichen Regelung ist die Verpflichtung aller Pflegeheime, für die regelmäßige und umfassende medizinische Versorgung ihrer Heimbewohner zu sorgen.
-
§132g SGB V: Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase
Pflegeeinrichtungen können Menschen mit einer umfassenden gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase unterstützen. Hierbei soll es unmittelbar um die Vorstellung des Versicherten selbst gehen. Dazu zählen alle Aspekte zur ärztlichen und pflegerischen Begleitung, zur Sterbebegleitung und zur Seelsorge. Für diese Fürsorgemaßnahme übernimmt die Krankenkasse die Kosten.
Elternunterhalt
Das Bürgerliche Gesetzbuch legt fest, dass direkt verwandte Personen untereinander unterhaltspflichtig sind. Das betrifft in erster Linie Eltern und Kinder, aber auch Großeltern und Enkel, ebenso wie Urgroßeltern und Urenkel. Das Sozialamt kann sich nur auf Unterhaltsansprüche gegenüber Verwandten ersten Grades berufen – also von Kindern und Eltern. Großeltern, Urgroßeltern, Enkel und Urenkel sind von dieser Verpflichtung ausgenommen. Gleiches gilt grundsätzlich für Geschwister, Cousins, Onkel und Tanten: Sie sind nicht für Ihre Verwandten unterhaltspflichtig, ebenso alle angeheirateten Verwandten.
Mehr zum Elternunterhalt >>
Angehörigen-Entlastungsgesetz
Für Angehörige von pflegebedürftigen Sozialhilfeempfängern wird mit der Verabschiedung des Entlastungsgesetzes die Einkommensgrenze angehoben: Künftig müssen sie sich erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro an den Pflegekosten ihrer Eltern beteiligen - indem sie zum Beispiel für einen Pflegedienst in der ambulanten Pflege oder für die Tagespflege zahlen. Die Einkommensgrenze gilt auch umgekehrt für Eltern mit erwachsenen pflegebedürftigen Kindern, die Anspruch auf Eingliederungshilfen haben. Sie werden von Belastungen etwa zum barrierefreien Bauen und Wohnen befreit – wenn sie weniger als 100.000 Euro brutto pro Jahr verdienen.
Quellen
SGB XI
Bundesregierung: Pflegekosten
Lebenshilfe: Angehörige entlasten
Bundesgerichtshof: Patientenverfügung
Sozialgesetzbuch
Gesetze im Internet: SGB 5
(alle Quellen zuletzt abgerufen am 28.09.2021)