Checkliste Pflegefall: So organisieren Sie die Pflege
- Tritt überraschend die Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen ein, sollten Sie sobald wie möglich den Pflegegrad beantragen, um Leistungen zu erhalten.
- Sie können sich sofort bis zu zehn Tage freinehmen, um alles zu organisieren. Später ist es möglich, sich längere Zeit freistellen zu lassen oder in Teilzeit zu arbeiten.
- Machen Sie sich ein ehrliches Bild davon, welche Pflege Ihr Angehöriger benötigt und welche Pflege er sich wünscht. Was können und wollen Sie übernehmen?
- Für die Pflege zu Hause gibt es drei Möglichkeiten: Pflege durch Angehörige, durch einen ambulanten Pflegedienst oder 24-Stunden-Pflegekräfte. Sie können die drei Varianten auch miteinander kombinieren.
- Bei der Pflege im Heim: Machen Sie sich vor Ort ein genaues Bild von dem Pflegeheim. Vor und nach dem Umzug steht für die Angehörigen viel Arbeit und Papierkram an.
Pflegebedürftigkeit tritt oftmals unerwartet ein, zum Beispiel durch einen Unfall oder eine Krankheit. Für Angehörige bedeutet sie in jedem Fall eine Menge Organisation. In diesem Ratgeber erfahren Sie, woran Sie denken müssen, um die beste Versorgung für Ihre Angehörigen sicherzustellen.
Antrag auf Pflegegrad stellen
Bei der Beantragung des Pflegegrads für Ihren Angehörigen sollten Sie keine Zeit verlieren. Denn erst mit dem Antrag werden auch Pflegeleistungen gestellt. Nachdem Sie den Antrag bei Ihrer Pflegekasse gestellt haben, setzt sich der Medizinische Dienst mit Ihnen in Verbindung. Ist die pflegebedürftige Person privatversichert, meldet sich Medicproof, der medizinische Dienst der Privatversicherer, bei Ihnen.
Ein Gutachter stellt im Rahmen eines Vororttermins oder telefonisch fest, ob eine Pflegebedürftigkeit vorliegt und welcher Pflegegrad dem Betroffenen zugeordnet wird. Insgesamt gibt es fünf Pflegegrade. Ein Fehler bei der Beantragung kann dazu führen, dass der Pflegegrad nicht anerkannt wird oder eine zu niedrige Einstufung erfolgt. Es ist darum sinnvoll, sich für die Formalitäten Unterstützung zu holen.
Wie Sie sich auf einen Termin mit dem Medizinischen Dienst vorbereiten, erfahren Sie im Beitrag MD-Begutachtung: So läuft die Pflege-Begutachtung.
Wie lange kann ich mir freinehmen?
Müssen Sie plötzlich die Pflege für ein nahes Familienmitglied organisieren, können Sie sich zehn Tage von der Arbeit freistellen lassen. Jeder Arbeitnehmer hat darauf ein Anrecht, egal wie groß der Betrieb ist. Für die Zeit der Freistellung zahlt die Pflegekasse eine Lohnersatzleistung von bis zu 90 Prozent des ausgefallenen Nettoeinkommens, das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld.
Entscheiden Sie sich, Ihren Angehörigen für kurze Zeit selbst zu pflegen, können Sie sich ganz oder teilweise unbezahlt freistellen lassen. Voraussetzung für diese Pflegezeit ist, dass bei dem Pflegebedürftigen mindestens Pflegegrad 1 festgestellt wurde und dass Ihr Arbeitgeber mehr als 15 Angestellte beschäftigt. Planen Sie, Ihre Angehörigen länger zu Hause zu pflegen, können Sie Ihre Arbeit im Rahmen der Familienpflegezeit für maximal 24 Monate auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduzieren. Die Familienpflegezeit ist allerdings nur in Betrieben mit mindestens 26 Angestellten möglich.
Personen in Pflegezeit oder Familienpflegezeit können ein zinsloses Darlehen über die Hälfte der Gehaltsdifferenz beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragen, um ihren Lohnausfall abzufedern. Das Darlehen wird in monatlichen Raten ausgezahlt und kann in Raten zurückgezahlt werden.
Wünsche und Bedürfnisse abwägen
Nutzen Sie die Zeit für eine ehrliche Bestandsaufnahme. Welche Pflege benötigt Ihr Angehöriger? Braucht er nur kurzfristig Unterstützung oder auch auf lange Sicht? Wie viel kann er noch alleine machen? Wie viel können und wollen Sie bei der Pflege leisten? Welche Mittel stehen zur Finanzierung zur Verfügung?
Sie sollten, wenn möglich, ein offenes Gespräch mit dem Betroffenen führen, um seine Wünsche und Bedürfnisse für die Pflege zu erfahren. Ideal ist es, wenn der Pflegebedürftige bereits Vorsorgedokumente wie eine Patientenverfügung, eine Vorsorgevollmacht oder ein Testament verfasst hat. Ist dies noch nicht geschehen, sollten Sie das jetzt ggf. gemeinsam nachholen.
Gut zu wissen: Wer fürchtet, einmal selbst nicht mehr äußern zu können, wie er sich die Pflege vorstellt, sollte eine Pflegeverfügung aufsetzen. In ihr halten Sie alle Wünsche fest, die Sie für die Pflege haben.
So organisieren Sie die Pflege zu Hause
Entscheiden Sie sich dafür, Ihren Angehörigen zu Hause zu pflegen, gibt es mehrere Optionen, wer die Pflege übernehmen kann. Zum einen eine Privatperson, das können zum Beispiel Angehörige oder Nachbarn sein. Die zweite Möglichkeit ist ein ambulanter Pflegedienst, der die Pflegenden unterstützen oder die komplette Pflege übernehmen kann. Drittens gibt es noch die Möglichkeit Vollzeitpflegekräfte einzustellen. Hier sollten Sie darauf achten, dass die vorgeschriebenen Arbeitszeiten nicht überschritten werden.
Wenn Sie eine 24-Stunden-Betreuung benötigen, müssen Sie also ggf. mehrere Pflegekräfte einstellen oder die verschiedenen Pflegevarianten miteinander kombinieren. So können Sie beispielsweise eine Vollzeitpflegekraft einstellen, die 8 Stunden am Tag abdeckt und die restliche Zeit durch einen Pflegedienst und Angehörige auffangen.
Pflege durch Angehörige
Die Pflege für einen Angehörigen zu übernehmen, ist eine große Herausforderung. Zunächst stellt sich die Frage, ob und wie der Pflegende die Aufgabe mit seiner Berufstätigkeit vereinbaren kann. Außerdem muss er sich das nötige Wissen aneignen. Die Pflegekassen bieten kostenfreie Pflegekurse für pflegende Angehörige an. Diese Schulungen vermitteln Informationen zu Lagerungs- und Mobilisierungsmethoden, Hilfsmitteln, der Rechtslage in der Pflege und zur Pflegeversicherung.
Die private oder gesetzliche Pflegeversicherung bezahlt den Pflegebedürftigen das sogenannte Pflegegeld, wenn sie sich dafür entscheiden, von Angehörigen, Freunden oder anderen ehrenamtlich Tätigen versorgt zu werden.
Ambulanter Pflegedienst
Natürlich möchte jeder von uns, dass seine Angehörigen in den besten Händen sind. Fragen Sie darum zunächst einmal bei Freunden oder Verwandten nach, mit welchen Anbietern sie gute oder schlechte Erfahrungen gemacht haben. Ihr Hausarzt kann Ihnen ebenfalls seriöse Anbieter in der Region nennen. Weitere Informationen erhalten Sie im Internet. Überlegen Sie sich, welche Aufgaben der Pflegedienst übernehmen soll. Nicht alle Anbieter haben die gleichen Leistungen. Viele Pflegedienste haben zum Beispiel kein Personal für ambulante psychiatrische Pflege, Kinderkrankenpflege oder eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung.
Führen Sie dann ein persönliches Gespräch vor Ort mit den Anbietern, die in die engere Auswahl gekommen sind. Auf Basis dessen sollte der Pflegedienst ein individuelles Angebot für Sie erstellen, in dem Pflegegrad, Aufwand, persönliche Umstände und Wünsche berücksichtigt werden. Das Angebot sollte idealerweise die Kosten für die Pflegeleistungen enthalten. Während der Beratung sollten Sie auch darüber aufgeklärt werden, wie hoch die Kostenbeteiligung durch die Pflegekasse ist.
24-Stunden-Pflege
Eine 24-Stunden-Pflegekraft ermöglicht es Pflegebedürftigen, auch bei einem hohen Pflegebedarf in den eigenen vier Wänden zu bleiben. Häufig sind es Haushaltshilfen aus Osteuropa, die zusätzliche Pflegeaufgaben übernehmen. Viele Familien wählen diese Art der Pflege als kostengünstige Lösung, um ihre Angehörigen zu betreuen. Doch die Gefahr, dass die Frauen ausgebeutet werden, ist besonders groß. Achten Sie auf die gesetzlichen Mindeststandards: Bezahlung nach Mindestlohn, eine tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden, eine Mindestruhezeit von elf Stunden und mindestens ein freier Tag pro Woche.
Ein gutes Pflegeheim finden
Für einige Pflegebedürftige ist die Betreuung in einem Heim die richtige Wahl. Doch die passende Einrichtung zu finden, ist oft nicht ganz leicht. Vergleichen Sie darum mehrere Häuser. Wenn Sie die Entscheidung für Ihren Angehörigen treffen, versuchen Sie sich so gut wie möglich in seine Lage zu versetzen.
Fordern Sie von den Heimen zunächst Prospekte und Leistungsbeschreibungen mit Preislisten an. Basierend darauf können Sie bereits einige Einrichtungen ausschließen. Machen Sie sich vor Ort einen Eindruck von dem Heim. Wichtige Faktoren sind Standort, Einrichtung, Verpflegung, Alltagsgestaltung, Versorgung der Bewohner, Wartezeiten für Zimmer, Kosten und natürlich Ihr persönlicher Eindruck von der Einrichtung.
Zieht ein Pflegebedürftiger ins Pflegeheim, steht für die Angehörigen zunächst viel Arbeit an. Der Haushalt muss in der Regel aufgelöst und laufende Verträge gekündigt werden. Überprüfen Sie, welche Versicherungen nach dem Umzug ins Heim noch benötigt werden und finden Sie alle Dokumente, die für die Aufnahme gebraucht werden. Hilfsmittel, die nicht mit ins Heim genommen werden können, müssen an die Krankenkasse zurückgegeben werden.
Direkt nach Eintreten der Pflegebedürftigkeit
- Pflegegrad beantragen
- Freistellung beim Arbeitgeber beantragen
- Klären, ob die Person zuhause oder im Heim gepflegt wird
- Festlegen, wer die Person pflegen will und kann
- Wenn noch nicht geschehen: Vorsorgedokumente erstellen
Wenn die Person durch durch Angehörige gepflegt werden soll
- Vereinbarkeit mit Beruf klären und Arbeitgeber informieren
- Pflegeberatung wahrnehmen
- Pflegekurse besuchen
- Pflegegeld beantragen
- Angehörige nach Unterstützung fragen
- Über Hilfe für Urlaub oder Krankheit informieren
Pflege mithilfe eines ambulanten Pflegedienstes
- Empfehlungen einholen (z. B. von Angehörigen)
- Herausfinden, welcher Dienst die benötigten Leistungen anbietet
- Vorgespräch vor Ort führen
- Pflegedienst erstellt individuelles Angebot
Pflege mithilfe von 24-Stunden-Pflegekräften
- Empfehlungen einholen
- Genau festlegen, wann und wie lange die Person gebraucht wird
- Festlegen, wer die restliche Zeit auffangen kann
- Wenn Pflegekräfte aus anderen Ländern vermittelt werden: sichergehen, dass gesetzliche Mindeststandards eingehalten werden
Bei einer Unterbringung im Pflegeheim
Informieren Sie sich zu folgenden Faktoren:
- Standort
- Einrichtung
- Verpflegung
- Alltagsgestaltung
- Versorgung der Bewohner
- Wartezeiten für Zimmer
- Kosten
- Persönlicher Eindruck
Haushalt des Betroffenen auflösen
- Verträge und gegebenenfalls Versicherungen kündigen
- Hilfsmittel zurückgeben
- Dokumente für das Pflegeheim zusammenstellen
- Wohnung ausräumen, ggf. Möbel verkaufen oder Angehörigen geben
Häufig gestellte Fragen
Bei der Organisation der häuslichen Pflege gibt es vieles zu beachten. Beantragen Sie zunächst den Pflegegrad für den Betroffenen, denn ohne Pflegegrad gibt es kein Geld von der Pflegeversicherung. Überlegen Sie, ob und wie vielen Stunden Sie neben der Pflege für den Beruf aufbringen können. Welche Aufgaben können Sie realistisch alleine bewältigen und für welche Aufgaben benötigen Sie Unterstützung und Entlastung, z. B. von einem ambulanten Pflegedienst oder einem Haushälter?
In einem Pflegekurs lernen Sie die notwendigen Fähigkeiten sowie Rechtskenntnisse. Wird der Pflegebedürftige von einer Privatperson gepflegt, erhält er Pflegegeld, das in der Regel an den Pflegenden weitergegeben wird.
Kinder sind gesetzlich nicht verpflichtet, ihre Eltern zu pflegen. Wollen oder können Kinder die Pflege nicht übernehmen, kann zunächst ein anderer Freiwilliger im Familien- und Bekanntenkreis gesucht werden. Alternativ können ambulante Pflegedienste die Aufgabe übernehmen. Ist eine Pflege zu Hause nicht möglich, kommt die pflegebedürftige Person ins Pflegeheim.
Angehörige haben das Recht auf eine individuelle, unabhängige und kostenlose Pflegeberatung. Dabei wird der Hilfs- und Unterstützungsbedarf analysiert und ein Versorgungsplan erstellt. Außerdem wird über Leistungen informiert, um die Belastung durch die Pflege zu reduzieren. Zudem haben Pflegende Anspruch auf einen Pflegekurs.
Achtung: Als Pflegende sind Sie nicht automatisch krankenversichert. Sind Sie nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder in einer Familienversicherung, müssen Sie sich freiwillig versichern.